Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0519
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4. Moderne Plastik und Architektur. — 5. Die zeichnenden Künste.

451

in strengstem Materialstil gehaltenen
Schmuckformen (nach Entwürfen von Al-
fred Grenander) den Beweis für die
neuen Möglichkeiten geliefert, die hier ruhen.
Diese großen Zweckbauten: das Ge-
schäftshaus, das Warenhaus, die Brücken
und Stadtbahnen, werden es in erster
Linie sein, die der Zukunft als die cha-
rakteristischen Architekturwerke der Zeit um
1900 erscheinen werden.

5. Die zeichnenden Aünste.
Die Malerei des neunzehnten Jahr-
hunderts machte eine Entwicklung durch,
die von der Liuienbestimmtheit aus-
ging, dann mit Vernachlässigung aller
Formelemente dem reinen Farbenansdruck
folgte und schließlich wieder in stilisieren-
den und dekorativen Entwürfen, in großen
Raumbildern die Linie gegen die Farbe aus-
spielte. Dieser Entwicklungsgang spiegelt
sich auch in den Schicksalen der graphi-
schen Künste, die jahrzehntelang kein an-
deres Ziel kannten, als der Malerei zu
dienen und sich erst in der jüngsten
Zeit wieder auf ihren natürlichen Beruf
besannen. Die alten reproduktiven Techniken des Kupferstichs und des Holzschnitts wurden
durch jene Zustände ganz aus ihrer Bahn geschleudert, und neue technische Verfahren drängten
sich vor. Zu Beginn des Jahrhunderts herrschte allerdings der Kupferstich noch als die beliebteste
Art der graphischen Nachbildung. Die klassische und romantische Epoche verließ dabei die
graziöse Spielerei der Rokokozeit und wandte sich wieder der herberen Art und den feineren
Strichlagen Dürers und Marcantons zu. In dem reinen, abstrakten „Umriß", den sie auch
hier pflegte, bildete sie ein Seitenstück zu dem Kartonstil der Maler aus. So trat in Frankreich
Henriquel Dupont (1797 —1892) als ein Kupferstecher auf, der die klarste und einfachste
Linienbestimmtheit predigte und jede malerische Helldunkelwirkung verpönte; mit Begeisterung
folgte ihm die jüngere Generation. In Deutschland bildeten sich in Düsseldorf, wo Joseph
Keller (1811—1873; Disputa, Dreifaltigkeit nach Raffael), weiter in Berlin, wo Eduard
Mandel (1810 —1882; Sixtinische Madonna, Stiche nach Guido Reni, van Dyck, Menzel,
Schadow u. a.) lehrten, und in Wien, wo die „Gesellschaft für vervielfältigende Kunst" fördernd
eingriff, große und erfolgreiche Kupferstecherschulen, denen andere kleinere allenthalben zur Seite
traten. Die Mandel-Schüler Louis Jacoby (geb. 1828; Stiche nach Kaulbach, Raffael,
Sodoma) und Gustav Eilers (geb. 1834; Arbeiten nach Tizian, Holbein, Rubens, Menzel)
gehören zn den letzten hervorragenden Vertretern dieser Gruppe. Doch im Lauf der Jahre
verlor der Kupferstich mehr und mehr an Beliebtheit. Der Stahlstich, der, hauptsächlich iu
England gepflegt, dem Bedürfnis der Massenreproduktion durch seine erhöhte Abdrucksfähigkeit
29*

503. Stifterbildnis vom Genter Altar,
Radierung von P. Halm.
 
Annotationen