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Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0520
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452

Vierter Abschnitt: 1870—1900.

besser entgegenkam, konnte ihm zwar mit
seinen scharfen und harten Linien nicht
ernstlich Konkurrenz machen. Aber die
Radierung war es, die, ganz anderer
malerischer Wirkungen fähig als der
Kupferstich, dessen maßgebende Stellung
immer mehr erschütterte. Auch die Ra-
dierung nahm, zunächst als Reproduktions-
technik, zur Popularisierung alter wie
moderner Meister, die allgemeine Aufmerk-
samkeit in Anspruch. William Unger
in Wien (geb. 1837), der wiederum eine
ganze Schule um sich bildete und selbst
eine Frans Hals-Galerie, zahlreiche andere
Blätter nach Gemälden der Holländer,
Vlamen, Italiener (Tizian) und Spanier
(Velazquez), sowie ganze Werke über ein-
zelne Museen herausgab, steht hier an erster
Stelle (Abb. 269, 283, 354). Neben ihm
haben namentlich Peter Halm (geb. 1854,
Abb. 503), W. Hecht (geb. 1843; Ra-
dierungen nach Murillo, Rubens, Lenbach,
Böcklin) und, mit seltener Virtuosität, Karl
Köpping (geb. 1848, Abb. 504) gewirkt,
der mit seinen erstaunlichen, dem Strich des
Pinsels auf das sorgfältigste nachgehenden Reproduktionen von Werken Rembrandts und Frans
Hals' unübertreffliche Meisterstücke geschaffen hat. In Frankreich haben namentlich Ferdinand
Gaillard (s. o. S. 184 u. Abb. 197), der auch als vorzüglicher Porträtmaler hervorgetreten ist,
und Jules Jacquemart (1837—1880, Abb. 505) die Radiertechnik in den Dienst alter und
moderner Meister gestellt.
Doch die malerische, ausdrucksvolle Schwarzweißsprache der Radierung begnügte sich nicht
damit, als Übersetzungskunst den trockenen Linienstrich zu verdrängen; sie führte zugleich weiter
zu selbständigen Schöpfungen, zur sogenannten „Künstlerradierung". Die wachsende Vervoll-
kommnung der mechanischen Reproduktion drängte die Künstler mit graphischen Interessen ohnehin
immer mehr zu solcher Beschäftigung, und zahlreiche Maler haben in allen Ländern sich bei
Nadel und Kupferplatte von ihrer Haupttätigkeit erholt. In Deutschland benutzten fast alle
großen Künstler, von Ludwig Richter, Schwind, Menzel bis zu Leibl und Liebermann, wie
wir schon wiederholt sahen, diese Technik zu reizvollen Originalarbeiten. Künstler wie Eugen
Napoleon Neureuther (1806—1882) nahmen sie zu Hilfe, um den Launen ihrer Phantasie,
denen sich die zähe Ölfarbe entzog, Gestalt zu geben. Auch die „Übersetzungskünstler" huldigten
alsbald der von den altniederländischen Meistern übernommenen Kunst der Maler-Radierung.
Bernhard Mannfeld (geb. 1848) zeichnete Städtebilder, Landschaften und Architekturwerke
mit großer Kunst auf die Platte. Schließlich faud man in einer eigentümlichen Vermischung
von Kupferstich und Radierung, in der sogenannten Stichradierung, eine neue Technik, deren Aus-
drucksfähigkeit und Mannigfaltigkeit alle bisherigen übertraf. Karl Stauffer-Bern (1857—
1891) trat mit solchen Arbeiten von außerordentlicher Feinheit hervor (Abb. 506). Max Klinger

504. Radierung von K. Köpping.
 
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