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Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0055
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5. Cornelius' Anfänge.

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fältigt, lenkten die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf Cornelius; sie find als sein frühester
Erfolg zu begrüßen. Ist auch der Stil noch nicht ausgeglichen, der Ausdruck bald übertrieben,
bald zu gleichgültig, der Gesichtstypus nicht immer glücklich gewählt, so kommen doch schon hier
die gerühmten Eigenschaften seiner späteren Kunstweise, die Vertiefung in die Charaktere und
die markige Kraft der Formen, zur Geltung. In Rom trat Cornelius in den Kreis der
Klosterbrüder. Doch er ließ sich bei aller persönlichen Freundschaft und neidlosen Anerkennung
ihrer Verdienste in seinem Wege nicht beirren. In die ersten römischen Jahre fallen die
Zeichnungen zu dem Nibelungenliede (Abb 39), die gleichfalls durch den Kupferstich verbreitet
wurden. Wie er in der Auswahl der Szenen, in der scharfen Betonung des tragischen Kon-
flikts den selbständigen poetischen Geist bekundet, so enthüllt er in der Ausführung bereits seine
Vorliebe für wuchtige, leidenschaftlich bewegte, in Haltung und Ausdruck das gewöhnliche Maß
weit überschreitende Gestalten.
Ein Mann, dessen Phantasie so gern mit der heimischen Vorzeit sich beschäftigte, der von
der Größe der alten deutschen Kunst, besonders Dürers, so tief berührt wurde und den
nationalen Zug mit Stolz in sich lebendig erkannte, konnte die Schicksale des Vaterlandes nicht
mit Gleichgültigkeit betrachten. Rom lag wohl weit weg von dem Schauplatz der Freiheitskämpfe;
nur langsam und dumpf gelangte ihr Widerhall bis in den Kreis der römisch-deutschen
Künstler. Aber jede Nachricht traf die Herzen und entstammte den Patriotismus. Daß die
Deutschen in Rom sich dem Vaterland im Geiste eng verbunden fühlten, dafür hatte Wilhelm
von Humboldt gesorgt, der mehrere Jahre hier als preußischer Gesandter lebte und mit den
Künstlern freundschaftlich verkehrte. Gerade jetzt arbeitete Christian Rauch an dem Grabmal
der Königin Luise, die in den Tagen tiefster nationaler Erniedrigung mit dem Stachel des
Schmerzes über das Unglück Preußens im Herzen gestorben war und nun wie ein Genius
allen Deutschen im Freiheitskriege vorschwebte. Wenn auch Cornelius nicht so fieberhaft den
Ereignissen folgte wie Rauch, dessen Enthusiasmus sogar die Aufmerksamkeit der französischen
Polizei erregte und ihre Verfolgungswut anstachelte, so jauchzte doch auch seine Seele ans, als
die Nachrichten von den deutschen Siegen und der endlichen Befreiung des Vaterlandes kamen.
Daß auch die Kunst an der wiedererstandenen Größe des deutschen Volkes Anteil haben werde
und haben müsse, stand bei ihm fest. Wie er sich diesen Anteil dachte, welche Folgen er sich
von dem Triumph der heimischen Waffen für die Künste versprach, sagt uns sein Brief an
Görres vom 3. November 1814: „Für das kräftigste, ich möchte sagen das unfehlbare Mittel,
der deutschen Kunst ein Fundament zu einer neuen, dem großen Zeitalter und dem Geist der
Nation angemessenen Richtung zu geben, halte ich die Wiedereinführung der Fresko-
Malerei, so wie sie zu Zeiten des großen Giotto bis auf den göttlichen Raffael in Italien
war." So ging die Wendung, welche die deutsche Kunst in den nachfolgenden Jahrzehnten
nahm, indem sie eine Erneuerung der monumentalen Malerei als Hauptziel ins Auge faßte,
nicht aus zufälligen äußeren Umständen hervor. Sie steht vielmehr mit den großen Ereignissen
und dem wiedererwachten nationalen Leben in engem Zusammenhang.
Cornelius' Wunsch sollte bald, wenn auch in bescheidenem Umfang, in Erfüllung gehen.
Der preußische Generalkonsul in Rom, Bartholdy, machte ihm und seinen Freunden den Antrag,
ein Zimmer in seiner schön gelegenen Wohnung auf dem Monte Pincio mit Wandgemälden zu
schmücken. Es sind die Bilder, die später von den Wänden der Casa Bartholdy kunstvoll
abgelöst wurden und sich jetzt in der Nationalgalerie befinden. Im Jahre 1816 begann die
Arbeit, an der außer Cornelius noch Overbeck, Veit und Wilhelm Schadow, der Sohn des
großen Bildhauers, teilnahmen; mit glücklichem Griff wurde die Geschichte des ägyptischen
Joseph zum Gegenstände der Schilderung gewählt. Große Schwierigkeiten erwuchsen allein aus
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