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Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0070
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50

Zweiter Abschnitt: 1819 — 1850.

Glatte und Weiche an, ergeht sich in sanften Kontrasten, meidet aber Kraft und Tiefe. In
den jungen Jahren der Düsseldorfer Schule merkte niemand diese Mängel nnd Schwächen.
Den Mittelklassen wandten sich die Künstler zu, und diese, durch Kunstgenüsse nicht verwöhnt,
spendeten ihnen reichsten Beifall. Sie waren dankbar für die anheimelnden, leicht verständlichen,
fesselnden Schilderungen. Der flüchtige romantische Hauch, die dem Naiven und Altertümlichen
in Ausdruck und Tracht dargebrachte Huldigung berührte die Zeitgenossen, die auch in der
Poesie an solchen romantischen Nachklängen sich ergötzten, sympathisch. Vollends gewann die
Herzen aller Gebildeten die mit Vorliebe gepflegte Sitte, den Inhalt der Darstellungen Lieb-
lingsdichtern zu entlehnen, wodurch der Reiz der Schilderung erhöht und dem Betrachter der
willkommene Anlaß gegeben wurde, den poetischen Faden selbst weiter zu spinnen, in das Bild

sich tiefer einzuleben. Die Vermitt-
lung der Poesie haben keineswegs
die Düsseldorfer Maler allein an-
gerufen, in der gleichzeitigen fran-
zösischen Kunst läßt sich vielmehr
der gleiche Vorgang beobachen. Aber
während die französischen Roman-
tiker sich vorwiegend an leidenschaft-
lich-pathetischen Szenen begeisterten,
wurden die Düsseldorfer durch lyrische
Situationen am meisten gefesselt.
Nicht selten begnügten sie sich, die
Helden der Handlung in einfach
gefälligen Gruppen, in ruhiger Hal-
tung zusammenzustellen. Die fran-
zösische Kunst war eben vom öffent-
lichen Leben mächtig gepackt worden
und hatte ihr den lauten, stür-
mischen Ausdruck entliehen. In
einem stillen Winkel des Vater-
landes, unberührt von dem damals
kaum sich regenden politischen Geist,
lebten die Düsseldorfer und nährten und Pflegten in ihrem Herzen nur die Empfindungen eines
harmlos gemütlichen, sinnigen privaten Daseins.
Schadow stand äußerlich an der Spitze der Schule und übte anfangs als Lehrer und
Ratgeber großen Einfluß. Gar bald traten ihm aber mehrere ältere Schüler ebenbürtig zur
Seite und verdrängten ihn in der Gunst weiterer Kreise. Als Frauenmaler wurde Carl Sohn
(1805—1867) am meisten bewundert. Seine Damenporträts, eintönig in Haltung und Cha-
rakteristik, aber angenehm im Kolorit, entzückten die Zeitgenossen, nicht minder erfreuten
das Auge die idealisierten Frauengruppen, die er bald in reiche Gewänder hüllte und nach
einem Dichterwerk benannte (z. B. die beiden Leonoren, Donna Diana; Abb. 53), bald in
nackter Schönheit prangen ließ und in einer mythologischen Szene verwandte. In der Vorliebe
für die Wiedergabe holder Frauengestalten folgte ihm Christian Köhler (1809—1861), nur
daß dieser öfter die Motive aus der biblischen Geschichte, wie in seinen bekanntesten Bildern:
Mirjams Lobgesang, Aussetzung Mosis, und aus dem Orient (Semiramis) holte und die Gruppen
in eine lebhaftere Bewegung versetzte. In einem anderen Gedanken- und Formenkreise erwarb

52. Amor und Psyche, von W. Wach.
Berlin, Kgl. Nationalgalerie.
 
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