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Springer, Anton; Osborn, Max [Editor]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0099
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4. Die Romantiker in Frankreich.

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wütigen ihre Sünden büßen. Der Gegensatz zwischen dem fleischlosen und blutleeren Virgil,
der nicht mehr dieser Welt angehört, keine Schwere mehr besitzt, wie der Dichter sagt, und
dem von der furchtbaren Szene tief erregten Dante, die Schilderung der Verdammten, die ver-
gebens das Boot zu erklimmen suchen, wütend sich gegenseitig ansallen, sich zerfleischen und
endlich wieder in den Sumpf zurückfallen, waren mit merkwürdiger Wahrheit wiedergegeben.
Schon die Wahl des Gegenstands verblüffte die öffentliche Meinung. Die ältere klassische
Bildung in Frankreich wußte nichts von Dante, am wenigsten glaubte sie an die Möglichkeit,

83. Eugene Delacroix. Selbstbildnis.


daß seine Schilderungen die künstlerische Phantasie begeistern könnten. Delacroix entdeckte für
die französische Kunst eine neue Welt. Und wie wirkungsvoll verstand er, sie darzustellen,
welche Stimmung und welche Kraft wußte er in das Kolorit zu legen! Sind auch die ein-
zelnen Farbentöne durch dicht nebeneinander gelagerte Gegensätze zu schroffer Höhe gesteigert,
so erscheint der Gesamteindruck doch harmonisch; aber freilich auf eine milde freundliche
Harmonie hatte es der Künstler nicht abgesehen. Ein unheimlicher Zug spricht mit und bringt
die Farbe in das rechte Verhältnis zu dem dämonischen Kreise, in dem sich die Schilderung
bewegt. Selbst die Anhänger der älteren Richtung, wie Gros, wurden von dem Gemälde
 
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