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Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0105
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5. Die französische Kunst zur Zeit des Julikönigtmns.

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Vorhänge, das glänzende Gerät boten dem Künstler die mannigfachsten und kräftigsten Lokal-
farben, die er nach feiner Art durch Steigerung und Verbindung der Töne trefflich zu har-
monieren verstand. Die einfache Szene erweitert sich durch den Farbenzauber vor unseren
Augen zu einem Stück orientalischer Kulturwelt. Den Frauen in Algier folgten noch die
jüdische Hochzeit in Marokko, die Konvulsionäre in Tanger. Seitdem haben sich orientalische
Schilderungen in der französischen Kunst fest eingebürgert.
Noch früher als Delacroix hatte Alexandre Gabriel Decamps (1803—1860) den
Orient kennen gelernt (1828—29). Bis dahin noch unklar und unsicher in seiner Richtung,
entdeckte er hier die seinem feinen malerischen Sinn zusagende Welt. Mit scharfen Augen hielt
er die eigentümlichen Typen des Orients fest, mit unvergleichlicher Wahrheit gab er sie in seinen
Bildern wieder und vergaß auch nicht, die wunderbaren Wirkungen des Lichts und der Farbe
im sonnigen Osten mitspielen zu lassen. Im Jahre 1831 stellte er fein erstes und vielleicht
bestes Orientbild: die nächtliche Runde — einen türkischen Polizeimeister zu Pferde, von keuchenden
Trabanten begleitet — aus, dem in den folgenden Jahren noch zahlreiche andere, nicht selten
auch durch ihren Humor fesselnde Orientschildernngen folgten. Decamps lebte nicht ausschließlich
in der orientalischen Stoffwelt. Wir besitzen von ihm auch Tierbilder. Zu wiederholten
Malen versuchte er sich ferner in der historischen Malerei. Im Jahre 1834 stellte er die
Niederlage der Cimbern bei Aquä Sextiä aus, eine Schilderung von mächtiger Wirkung, in
der aber die düstere, öde Landschaft, die sich ins Unendliche auszudehnen scheint, die Haupt-
rolle spielt, die in Schluchten und Talspalten kämpfenden unermeßlichen Heerhaufen zur
Staffage herabsinken. Unter den biblischen, gleichfalls das landschaftliche Element stark be-
tonenden Darstellungen (Abb. 86) ragt der Zyklus von Zeichnungen aus Simsons Leben hervor.
Die Szenen sind zum Teil in die moderne orientalische Welt, z. B. Simson bei der Sklaven-
arbeit, verlegt, und fesseln zumeist durch den mit allen Mitteln der Technik bewirkten maleri-
schen Reiz, besonders in der Wiedergabe der landschaftlichen und architektonischen Umgebung.


87. In Tripolis, von Pr. Marilhat. Leipzig, Stadt. Museum.
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