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Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0116
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Zweiter Abschnitt: 1819—1850.


an zarter, trotz des dünnen,
lichten Farbenauftrages voll-
endeter Rundung des Körpers
die älteren Bilder, aber der
Grundton klingt doch schon in
den Werken der Jugendperiode
deutlich an. Porträts besitzen
wir ebenfalls aus jedem Jahr-
zehnt feines Wirkens in großer
Zahl und von gleicher Güte.
Verriete es nicht die Tracht und
bezeugten es nicht Urkunden, so
würde man nimmermehr glauben,
daß zwischen dem Bildnis der
Madame Devauoay (1807 ge-
malt) und jenem der Madame
d'Haussonville (1845) beinahe
vier Jahrzehnte lagen. Die
scheinbar nachlässige, in Wahr-
heit aber sorgfältig ausgesuchte
Stellung, die Schönheit der Um-
risse, die Feinheit der Model-
lierung fesseln in beiden Fällen
den Beschauer mit gleicher Stärke.
Eher könnte man bei den zahl-
reichen männlichen Porträts die
ersten Jahre nach 1830 als
einen Höhepunkt seiner Kunst
auffassen. In diese Zeit fallen
die berühmten Bildnisse Berlins
und des Grafen Mols.
Ingres brachte einen großen
Teil feines Lebens außerhalb der
Heimat zu. Sein erster Aufenthalt
in Italien (Rom und Florenz)
währte beinahe zwei Jahrzehnte.
Zum zweitenmale ging er (1834

no o c> -> m -- n —1841) nach Rom, um dort
98. Dre Quelle, von I. A. D. Ingres. Paris, Louvre. '
die französische Akademie zu
leiten. Die lange Abwesenheit von Paris hielt ihn von der unmittelbaren Teilnahme an den
Kämpfen der verschiedenen Kunstparteien fern, sie entfremdete ihn aber durchaus nicht dem
geistigen Leben der Franzosen und den mannigfachen Wegen, welche die nationale Phantasie
einschlug. Es gehört vielmehr zu den wichtigsten Zügen seiner Natur, daß er, die kommenden
Bewegungen auf dem Kunstgebiet gleichsam vorahnend, stets, ehe noch eine neue Strömung in
Frankreich sich Bahn brach, sie in einzelnen Werken abspiegelte.
In einer Zeit, in der die Koloristenschule in Frankreich sich noch gar nicht regte, lange
 
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