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Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0263
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4. Das Erwachen der Farbe in Deutschland.

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noch weit mehr als heute von Bauern und Gebirgsleuten in ihrer heimatlichen Tracht besucht
wurde, den besten Boden fanden. Hier entwickelte sich auch der Hamburger Hermann Kaufs-
mann, der uns schon früher (S. 192) begegnete, zu einem Genremaler nach allen Regeln der
beliebten Kunst. Tie Größe der Auffassung und die Einfachheit des Vortrags, die feine Bilder
in der Heimat ausgezeichnet hatten, büßte er dabei allerdings langsam ein. Immerhin ragt
er über die Gruppe der sonstigen älteren Bauernmaler, deren erfolgreichster Vertreter Karl
En Huber (1811—1867) war, weit hervor.
Doch alles, was auf diesem Gebiete damals in München geschaffen wurde, verblaßt gegen
die Werke Carl Spitzwegs (1808—1885), den man nur mit Scheu in diesem Zusammen-
hang nennt. In Spitzwegs Vorliebe für die kleine deutsche Stadt mit ihren winkligen Gassen,
verbauten Höfen, hohen Dächern und Türmen, mit ihren beschaulichen Gärten und dem ge-
mütlichen Biedermeiertum ihrer Bewohner klingt noch ein Stück Romantik nach, zu der er sich in
feiner gelegentlichen Neigung zu allerlei phantastischem Märchenspuk noch offener bekennt. Romantik
und Phantasie erscheinen bei ihm allerdings schon vom Realismus aufgeklärt, so daß er etwa
wie ein Mittelmann zwischen Moriz von Schwind und Ludwig Richter erscheint (Abb. 233).
Doch über diese beiden wächst Spitzweg weit hinaus durch die Feinheit und den Geschmack seiner
Malerei. Unverkennbar melden sich bei ihm schon die Einflüsse der Barbizonschule zum Worte,
deren intime, klangvolle Farbengebung nun feine Bildchen von Sonntagsjägern und Polizei-
dienern, von Bücherwürmern und Bibliothekaren, von frommen Mönchen und Klausnern, von
Pfarrern und behaglichen Philistern, die ihre Blumen pflegen, von drolligen Liebesleuten im
Waldesschatten und nächtlichen Mondscheinszenen mit Ständchen und Serenaden (Tafel XII) zu
Kabinettstückchen von höchstem Reiz emporhebt. Je mehr der anekdotische Inhalt zurücktritt, um so
reiner zeigt sich Spitzwegs malerisches Können, dem erst spät Anerkennung und Ruhm erwuchs.
Die Anekdote ward nun im Genrebilde immer vordringlicher. Nicht nur in der Stoffwahl


237. Im Klosterkeller, von Ed. Grützner.
(Aufnahme der Photogr. Gesellschaft, Berlin)
 
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