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Springer, Anton; Osborn, Max [Editor]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0266
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224

Dritter Abschnitt: 1850—1870.


240. Galeerensträflinge, Vvn K. F. Hausmann.

er so viel Drolliges zu berichten wußte, — alle diese Bilder haben eine unvergleichliche
Popularität und in Tausenden von Reproduktionen Eingang ins deutsche Bürgerhaus gesunden.
Benjamin Vautier (1829 —1898) hat nicht den stets bereiten Witz und die über-
legene Ironie, die bei Knaus aufsällt. Er ist harmloser, treuherziger. Wie Berthold Auerbach
liebte auch er besonders die Gegenden des Schwarzwaldes, aus dessen Tälern und Dörfern er
mit großer Erfindungskraft immer neue einfache Geschichten erzählte. Als liebenswürdiger, nie
aufdringlicher Plauderer schilderte er die Bauern bei Festen und Tänzen, in der Wohnstube oder
im Wirtshause, bei Beerdigung und Leichenschmaus, auf dem Postbureau oder in schwierigeren
Konflikten mit der Behörde. Als Maler aber steht Vautier weit hinter Knaus zurück, die Farbe
lebt auf seinen Bildern kein rechtes Eigenleben, sondern begleitet nur, oft mit recht harten
Tönen, die mehr zeichnerisch empfundene Komposition.
Der dritte berühmte Meister des Genrebildes und der Dorfnovelle, Franz Defregger
(geb. 1835), führt uns wieder nach München zurück. Ein Bauernsohn aus dem Pustertal, der
als Hirtenknabe zu zeichnen und zu schnitzen begonnen, kam er zu Piloty, der auch bei diesem
Schüler zeigte, daß er sich als Lehrer bei der Beeinflussung der ihm auvertrauten Seelen
kluge Reserven auferlegte. Freilich, die kostbare Frische und Unbefangenheit, die Defregger in
seinen ältesten Arbeiten und in manchen Landschaften, Dorfinterieurs und Bauernporträts bis
in die siebziger Jahre hinein an den Tag legte, wich in der akademischen Schulung bald einer
leichteren, unpersönlicheren Routine, und die in München genährte Freude an der Anekdote
Vertrieb den Sinn für die tiefere Poesie rein malerisch erfaßter Motive. Und merkwürdig:
dieser Sohn des Volkes, der seine Landsleute doch aus unmittelbarster Anschauung kannte, ge-
wöhnte sich in der Stadt allzu schnell daran, seine heimatliche Welt mit dem Auge des Städters
 
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