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Springer, Anton; Osborn, Max [Editor]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0418
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358

Vierter Abschnitt: 1870—1900.


383. Pietä, von Max Klinger. Dresden, Kgl. Gern.-Gal. Nach der Radierung von Alb. Krüger.

alle Ströme der modernen deutschen Kunst. Neben seinem Widmungsblatt an Böcklin steht ein
anderes an Menzel. In Karlsruhe ließ er sich von Gusiow in den Realismus einfuhren, in
Berlin (1875—79) studierte er das neue Leben der aufblühenden Großstadt, in Paris tritt er
den Problemen der Freilichtmalerei nahe, mit denen er sich in heißem Bemühen auseinander-
setzt, in Rom kommt er in den Kreis, der durch Böcklin und Maräes sein Gepräge erhalten
hat. Und wie ein Meister der Renaissance hat Klinger als Zeichner und Radierer, als Maler
und als Bildhauer und als Schriftsteller seiner Sehnsucht Ziel zugestrebt, ohne sich in dem
oft unruhigen Wechsel der künstlerischen Ausdruckssormen überall die letzte technische Reise zu
erwerben, doch ununterbrochen Werke schaffend, die durch das Ringen einer mächtigen Persön-
lichkeit, eines unbändigen Künstlergeistes im Tiefsten ergreifen. Auch Klinger hat den deutschen
Fluch der handwerklichen Unsicherheit und Schwerfälligkeit gespürt. Namentlich der Farbe hat
er Schlachten geliefert, und doch gewaltige Bildkompositionen geschaffen von feierlicher herber
Größe und stolzer Monumentalität (PietL, Abb. 383; Kreuzigung). Von frühen resoluten Frei-
licht- und Wirklichkeitsstudien (Spaziergänger; Sommerglück, Tafel XXIII) bis zu den koloristischen
Experimenten Besnards hat er alle Stadien der modernen Farbenkunst durchlaufen (IMsnrs dlsnch,
bis ihn das Bewußtsein seiner überwiegenden Begabung für die lineare und plastische Form von
der Radierung zur Bildhauerei trieb. Eine Verbindung von Malerei und Plastik stellt den Über-
gang her (Urteil des Paris, Christus im Olymp). Dann beginnt ein emsiges Versenken in
das Skulpturale. In einer Reihe glänzender Aktfiguren (Badende, Amphitrite) übt er sich im
Studium des Nackten. Doch auch hier reißt ihn die Überfülle des Gedanklichen in seinem Wesen
von der Naturnachbildung zur Verkörperung von Ideen und zur Betonung des Seelischen im
Körperlichen. Die Halbfiguren der Salome und der Kassandra halten noch einmal Abrechnung
 
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