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Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0532
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464

Vierter Abschnitt: 1870—1900.

Otto von Holten, Buchbinderfirmen und Verlagsbuchhandlungen hielten sich eifrig an die von
den Künstlern aufgestellten Prinzipien.
Mit dem dekorativen Buchumschlag in engster Verbindung steht das Plakat. Denn auch
dies Reklamemittel des Handels und der Industrie nahm dauernd die Mithilfe der Zeichenkunst
in Anspruch und geriet mit in die große Reformbewegung. Die verbesserte und verfeinerte
Farbendrucktechnik brachte auch hier die Möglichkeit, guter Kunst die weiteste Verbreitung zu
geben. Die Aufgabe, die es dabei zu lösen galt: der Fernwirkung zuliebe mit großen, lapi-
daren Linien und wenigen energischen Farben einen einfachen, summarischen Ausdruck für einen
leicht faßbaren Bildgedanken zu finden, kam dem allgemeinen Streben entgegen, sich von der
einseitig analytischen Manier des Impressionismus zu erholen. England ging voran, mit Plakat-
blättern, die in starken Farbenkontrasten, oft grotesken koloristischen Herausforderungen des
Auges, nicht übersehen werden konnten. Aber Frankreich ward das Hauptland für dies ganze
Kunstgebiet, vor allem durch Jules Chsret (geb. 1836), den Großmeister der Pariser Affiche,
der mit der lichten Eleganz und dem blitzenden Geistreichtnm seiner Blätter den Charakter
jedes Objekts zu treffen weiß, ob er einem Zauberkünstler oder einem Tingeltangel, einem Spiel-
warengeschäft, neuen Hustenpastillen, dem Palais de Glace oder den Grands Magazins du
Louvre die riesige Visitenkarte entwirft. Überall tauchen tanzende, lachende, schwebende Ge-
stalten auf, wie von den Künsten eines raffinierten Bühnenmeisters mit bunten Lichtern über-
gossen und stets in breiten Farbenfeldern auf die Fläche projiziert (Abb. 520). Toulouse-
Lautrec, Forain, Steinlen und alle die andern Meister der Pariser Zeichenkunst haben sich an
diesen amüsanten Dingen beteiligt. Der Sinn für dekorative Wirkungen war erwacht, und die


521. Plakat, von Otto Eckmann.

Japaner hatten gelehrt, mit we-
nigen Strichen deutlich zu sein.
Von Paris, der Hochburg des
modernen Straßenlebens, ging
das Plakat weiter, nach Belgien,
wo Henry Meunier und
Berchmans seine originellsten
Vertreter wurden, und nach
Deutschland, wo wieder die
Münchner, Th. Th. Heine und
Eckmann (Abb. 521) an der
Spitze, vorangingen und die
Berliner, wie Edmund Edel
(geb. 1863) mit seinen lustigen
Anschlägen, folgten. In jüngster
Zeit ist in die Plakatbewegung
eine gewisse Ruhe gekommen.
Statt der dekorativen Bildent-
würfe sucht man nun lieber
kunstvolle nnd originelle Schriften
aus, doch haben sich schon die
Sammler dieses Kunstzweiges
bemächtigt, Plakatausstellungen
wurden veranstaltet, und Staats-
anstalten, wie das Dresdener
 
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