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Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0543
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6. Kunst und Leben.

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bildern wenigstens zu nähern? Kein Morgen und kein Übermorgen kann solcher ^Sehnsucht
Erfüllung bringen. Aber die Menschheit hat ja wohl noch einige Jahrtausende vor sich. In-
zwischen tun wir unsre Pflicht und schreiten, unbekümmert um Enttäuschungen und Mißerfolge,
weiter auf dem großen Wege, der uns tief und tiefer in das heilige Land führt. Ob wir
gleich zu keinem Endziel gelangen — der Sieg ist nichts, der Kampf ist alles! Den feind-
lichen Gewalten mit der Kraft unferes Geistes die Macht abzuringen, daß wir unser Leben
von den Erdenfchlacken zu reinigen, den Sinn des Daseins zu deuten und die ganze Herrlichkeit
des Kosmos, in dem wir atmen, zu erkennen vermögen, — das ist unser Jubel und unser
Glück. Seit Jahrtausenden müht sich die Kunst der Menschheit in aller schmerzlichen Lust des
Schaffens zu diesem Gipfel empor. Aber wir wissen wohl, daß es uns niemals gelingen
wird, die Rätsel und Wunder auszuschöpfen, von denen wir umgeben find, daß die Kraft
unserer Hand niemals ausreicht, die Gewalt und Größe der Welt wahrhaft in greifbare Ab-
bilder zu bannen. So führt uns der Weg der Kunst, geweiht und geläutert, zu den Quellen
unferes Lebens selbst zurück, und anbetend sinken wir nieder vor der unermeßlichen Schönheit
der mütterlichen Natur.


534. An die Schönheit, Radierung von Max Klinger.
 
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