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Straßburger Münsterblatt: Organ des Straßburger Münster-Vereins — 6.1912

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Knauth, Johannes: Bericht über die Bauschäden am Turmpfeiler und ersten Arkadenpfeiler des Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.20536#0103
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9i

welcher Art vom Turme aus auf den Schiffspfeiler
zu wirken imstande sind, dürfte nach Beendigung
der Arbeiten an den Pfeilern eine konstruktive

Abb. 19. Längsschnitt mit Kräfteplan.

Änderung an dem Turmstrebepfeiler im 1. Fenster
der Hochschiffswand wünschenswert sein. Dieser
Strebepfeiler, der die Hauptschuld an der Zerstörung
des Schiffspfeilers trägt, anderseits allerdings auch ein
Hauptorgan der Entlastung des Turmpfeilers bildet,
kann seinen Zweck ohne die jederzeit schädliche
Beeinflussung des Schiffspfeilers nicht erfüllen. Nach
einer soliden ordnungsmässigen Herstellung des
Fundamentes ist er konstruktiv überflüssig. Er könnte
also unbedingt ohne weiteres entfernt werden. Der
Beseitigung sollte meines Erachtens auch vom kon-
servativen Standpunkte nichts entgegenstehen, da
die Aufgabe einer vernünftigen Denkmalpflege un-
möglich darin gesucht werden darf, kritiklos alles
Alte, auch das konstruktiv oder ästhetisch Sinnlose
zu erhalten, einzig aus dem Grunde weil es alt ist.
Höchstens ein gewisses baugeschichtliches Interesse,
welches bei einem Bauwerk von der hervorragenden
Bedeutung des Strassburger Münsters besondere
Beachtung verdient, könnte dagegen sprechen. Zum
Mindesten müsste aber versucht werden, die schäd-
lichen Wirkungen des Strebepfeilers für immer
aufzuheben. Dies könnte geschehen durch Lostren-
nung vom Turm mit welchem derselbe im Verband
steht, und zwar durch Plerstellung einer senkrechten
Fuge oberhalb der äusseresten Begrenzung des
Turmpfeilers nach Osten hin. Es würde dadurch
bewirkt, dass nur das Gewicht des Strebepfeilers
selbst, nicht aber weitere unkontrollierbare Drucke
vom Turm durch den ersten Arkadenbo^en auf den
Schiffspfeiler übertragen werden. Noch besser jedoch
erscheint mir der Versuch, diese Last in den Turm-

pfeiler zu führen durch Herstellung einer Konsole
oberhalb des Arkadenbogens. Wenn nach Vollendung
der Arbeiten an den beiden Pfeilern, jedoch vor
der Beseitigung der Gerüste und Abstützungen die
Lagerfuge über dem Rücken des Arkadenbogens
unter dem besprochenen Strebepfeiler ausgenutet,
der Bogen also entlastet wird, so ist anzunehmen,
dass sich durch den Quaderverband dieses Pfeilers
diese Konsole selbständig bilden wird. Es wird
dann Sorge zu tragen sein, dass die damit ge-
schaffene Trennung, die dauernd eine wesentliche Ent-
lastung des Schiffspfeilers bedeutet, bestehen bleibt.

Ausserdem wird dafür Sorge zu tragen sein,
dass die Mehrlasten, die der erste Schiffspfeiler der
Nordseite gegenüber den anderen zu tragen hat,
nach Möglichkeit verringert werden, so durch die
Beseitigung des schweren Steinplattendachs über dem
ersten Gewölbe und dessen Ersatz durch eine
Holzkonstruktion analog den übrigen Seitenschiffs-
dächern, teilweise Entfernung des Orgelwerks und
dergleichen.

Die sämtlichen, in Betracht kommenden Wieder-
herstellungsarbeiten müssen selbstverständlich mit
der allergrössten Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zur
Ausführung gebracht werden bei ständiger schärfster
Kontrolle. Aus diesem Grunde würde Regiebetrieb
wie derselbe im Allgemeinen bei den Instandsetzungs-
arbeiten am Münster von jeher die Regel ist, auch
bei diesen besonderen Arbeiten vorzuziehen sein.
Es ist aber ebenso wünschenswert, und im Interesse
der Arbeiten notwendig, bei gewissen Spezialarbeiten
so besonders bei den Eisenbetonkonstruktionen die
Mitwirkung und die Erfahrung des Unternehmers
heranzuziehen.

Läuten der grossen Glocke a. 9. V. 08.
Winddruck a. 5. II. 09 von West, Stärke 5, 7“8 m pro Sek.

Erdbeben in Kleinasien a. 23. I. 09.

Erdbeben in Südfrankreich a. 11. VI. 09.

Abb. 20. Aufzeichnungen des Seismographen am Fusse des
Turmpfeilerfundamentes.

Unter dem 26. April 1909 habe ich vom Inhalt
des Vorhergehenden Bericht erstattet und zugleich
den Antrag gestellt die Gutachten einiger Sachver-
 
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