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Straßburger Münsterblatt: Organ des Straßburger Münster-Vereins — 6.1912

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Knauth, Johannes: Bericht über die Bauschäden am Turmpfeiler und ersten Arkadenpfeiler des Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.20536#0104
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ständigen einzuholen, als welche ich später Herrn worden, die Gutachten der beiden Herren sind
Di. Ing. 3 h. Landsberg und Hen n Wirkl. Geh. Bau- unterm 22. und 24. November 1909 eingegangen,
rat Dr. Zimmermann beide in Berlin in Vorschlag

gebracht habe. Meinem Anträge ist Folge gegeben Herr Dr. Ing. Landsberg berichtet:

Gutachtliche Äusserung zu dem Bericht über die Bauschäden am Turmpfeiler und Arkaden-
pfeiler des Münsters zu Strassburg.

Der Unterzeichnete ist beauftragt ein eingehendes
Gutachten über die Bauschäden abzugeben, welche
im Münster zu Strassburg am Turmpfeiler und ersten
Arkadenpfeiler der Nordseite aufgetreten sind. Als
Unterlage für das Gutachten ist mir der Bericht
des Münsterbaumeisters, Herrn Knauth, nebst den
zugehörigen Zeichnungen übergeben worden. Auf
meinen Wunsch ist mir weiterhin noch die statische
Berechnung des Regierungs - Baumeisters Professor
Glöckner in Strassburg übersandt worden.

Allgemeines.

Aus dem Bericht des Herrn Knauth ergibt sich
zunächst klar und bestimmt die Notwendigkeit, die
Fundamente des schwer belasteten Turmpfeilers der
Nordwand zu verbessern. Aus den weiter unten
folgenden Überlegungen wird man ersehen, dass
dieser Pfeiler, dank seiner schlechten Fundierung,
die Schuld an den Bauschäden trägt. Auf die vor-
geschlagenen drei möglichen Arten, eine Gesundung
herbeizuführen, wird später eingegangen werden.

Veranlassung zu der Untersuchung der Funda-
mente des Turmpfeilers haben die Risse und Sprünge
gegeben, welche im ersten Schiffspfeiler der Nordseite,
dem Nachbarpfeiler des Turmpfeilers aufgetreten
sind. Die statische Untersuchung des Professor
Glöckner beschäftigt sich mit diesem Schiffs-
Pfeiler und erweist, dass die Inanspruchnahmen
in demselben unterhalb des Arkadenbogens, über-
aus gross sind, und zwar infolge ungünstiger
Lage der Kräfte. Eine Erneuerung des Pfeilers
müsste vorgenommen werden, wie sie auch Herr
Knauth auf S. 28 und 29 seines Berichtes in Aus-
sicht nimmt. Diese Erneuerung ist notwendig und
ausführbar.

Die wichtigste Frage ist aber die nach der Ur-
sache der Bauschäden an dem Schiffspfeiler. Wenn
diese Ursachen nicht gelegentlich der Ausbesserung
beseitigt werden, muss man darauf gefasst sein, dass
über kurz oder lang auch in dem neuen Pfeiler
ähnliche Schäden auftreten, wie in dem beseitigten.

Ursachen der Schäden am ersten Schiffs-
pfeiler der Nordwand.

Die statische Untersuchung des Professor
Glöckner hat erwiesen, dass die Kräfte in dem
Pfeilerquerschnitt G—H unterhalb des Arkaden-

bogens (Figur neben Seite i33 der Stat. Ber.) über-
aus ungünstig liegen; der Durchstossungspunkt der
hauptsächlich in Frage kommenden Resultierenden
liegt so exzentrisch, dass sich die Risse im Pfeiler
zwanglos aus dieser Lage erklären. Die Photo-
graphie Blatt 2 erweist, dass der lotrechte Hauptriss
ganz nahe an diesem Durchstossungspunkte (A,
rot gezeichnet in der Figur neben Seite i33) liegt,
also in einer Gegend sehr starker Inanspruchnahme.
Die gegenüberliegende Seite des Pfeilers, nach dem
Mittelschiff und Feld 1 hingelegen, ist soweit aus der
Photographie Blatt 1 ersichtlich ist, frei von Rissen
und Sprüngen. Da die Lage des erwähnten
Punktes A von der grössten Bedeutung ist, habe
ich die Aufsuchung dieses Punktes an Hand der
Angaben der statischen Berechnung nachgeprüft,
auch seine Lage durch Rechnung bestimmt und
habe verhältnismässig wenig abweichende Ergebnisse
von denjenigen der stat. Ber. gefunden, so dass ich
die eingehende statische Berechnung als Grundlage
annehmen konnte.

Es fragt sich nun : Was hat die ungünstige

Lage der Kräfte verschuldet. Nahe liegt, die Haupt-
schuld dem Turm-Strebepfeiler und der Triforium-
ausmauerung zuzuweisen, welche in dem ersten
Felde eingebaut sind. Beide belasten durch ihre
Lage (lotrechte Mittelebene 0,96 m bezw. 1,02 m
von innerer Arkadenkante nach aussen, 6. stat. Ber.
Seite 94 und 95) den Pfeiler ungünstig und rücken
dadurch den Durchstossungspunkt in ungünstiger
Weise nach dem Seitenschiff zu; sie erzeugen
ausserdem eine bedeutende Horizontalkraft, die nach
dem Chor hin in der Längsrichtung des Münsters
wirkt. Auch sonstige Ursachen kommen in Frage,
so das Gewicht der Orgel nebst Zubehör, die
schwere massive Steinplattenbelastung des Seiten-
schiffsdaches über dem ersten Gewölbefeld, und
anderes.

Betrachtet man aber die Lage des Durch-
stossungspunktes A auf dem Blatte zu S. i33
der Stat. Ber. so fällt auf, wie wenig seitwärts
von der Querachse des Pfeilerquerschnittes der
Punkt A liegt. Der Ausschlag gegen diese Achse
nach dem Turm zu beträgt nur rund 10 cm; dieser
Ausschlag ist aber hauptsächlich durch die Ver-
schiedenheit der Horizontalkräfte hervorgerufen, die
von den beiden Nachbarfeldern der hohen Wand
auf den Pfeiler übertragen werden. Die Verschieden-
 
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