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Straßburger Münsterblatt: Organ des Straßburger Münster-Vereins — 6.1912

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Knauth, Johannes: Bericht über die Bauschäden am Turmpfeiler und ersten Arkadenpfeiler des Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.20536#0108
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die Ausführung des dritten Vorschlages, wenn mög-
lich, zu vermeiden.

Berlin, den 20. November 1909.

gez. Dr. H. Zimmermann,
Wirklicher Geheimer Oberbaurat
im Ministerium der öffentlichen Arbeiten.

Im Verfolg der Gutachten habe ich unterm
24. Januar 1910 den Antrag gestellt auf Ausführung
der Verstärkungsarbeiten am Turmpfeiler nach dem
Entwurf III, also vollständige Beseitigung des alten
und Herstellung eines neuen Fundamentes auf der
Kiesschicht. Zugleich beantragte ich, einige Spezial-
firmen für Eisenbeton zur Ausarbeitung je eines
Spezialprojektes mit der Aussicht auf Heranziehung
zur Mitwirkung bei der Ausführung einzuladen und
zwar wurden hierfür die Firmen

Th. & Ed. Wagner, A.-G.,

Ed. Züblin & Comp.,

Dyckerhoff & Widmann, A.-G.,

Wayss & Frey tag,

alle in Strassburg, in Vorschlag gebracht. Der
Gemeinderat hat sich unterm 23. Februar 19x0 mit
diesen Anträgen einverstanden erklärt. Die vorge-
nannten vier Firmen sind zur Ausarbeitung von
Spezialentwürfen unter Zugrundelegung des Ent-
wurfes III des Münsterbauamtes eingeladen worden
mit der Massgabe, dass diejenigen Firmen, welchen
ein Auftrag zur Mitwirkung bei der Ausführung
nicht erteilt werden würde, eine Entschädigung von
je 5oo Mk. erhalten sollten.

Nach Prüfung der vorgelegten Entwürfe,
sowie nach weiteren Verhandlungen mit den Unter-
nehmern, stellte ich unterm 3r. Mai 1911 den An-
trag auf Übertragung der Mitwirkung bei den Ar-
beiten an die beiden Firmen Th. & Ed. Wagner
A.-G. und Ed. Züblin & Comp, und zwar in der
Art, dass die sämtlichen Arbeiten in Regie und
unter Verwaltung des Münsterbauamtes ausgeführt
werden, die beiden Firmen aber für ihre gemein-
schaftliche Mitwirkung mit dem Münsterbaumeister
bei der Kontrolle und Leitung der Arbeiten, die

Verantwortung für die Richtigkeit der Konstruk-
tionen und Berechnungen übernehmen und hierfür
eine prozentuale Entschädigung erhalten sollten.

Der Gemeinderat hat unterm 28. Juni 1911
diesem Antrag Folge geleistet. Seitdem ist ein
Spezialbaubüreau für diese Arbeiten gebildet worden
und werden zur Zeit die letzten Einzelentwürfe und
Berechnungen ausgeführt. Mittlerweile sind die zur
Unterfangung der Bögen und Gewölbe notwendigen
Gerüste in Angriff genommen und nahezu fertig
gestellt worden. Mit den eigentlichen Unterfangungs-
arbeiten wird noch im Laufe dieses Jahres begonnen
werden.

Zum Schluss dürfte eine Mitteilung über die
Folgen des Erdbebens vom 16. November 1911
interessieren. Zu befürchten war eine schädigende
Einwirkung auf den mangelhaften Zustand des Turm-
pfeilers und des ersten Schiffspfeilers. Eine solche
hat sich darin gezeigt, dass der seit längerer Zeit
beobachtete Riss im ersten Schiffspfeiler trotz der
Eisenbandagierung eine Verlängerung von etwa
2 cm erfahren hat.

Die daselbst angebrachte Sicherungskonstruk-
tion von Eisenbändern hatte sich insofern als
zuverlässig erwiesen, als seit der Anbringung
derselben vor etwa 5 Jahren die beobachteten Risse
eine nur ganz unwesentliche Verlängerung von ins-
gesamt etwa 1 cm erfahren haben gegenüber einer
Verlängerung von 4—5 cm während des Jahres
vorher. Wenn nunmehr infolge des Erdstosses eine
Verlängerung von etwa 2 cm trotz der Bandagierung
stattgefunden hat, so lässt sich daraus ermessen,
wie gross die schädigende Einwirkung im Falle des
Fehlens der Bandagierung hätte werden können.
Verhältnismässig günstig war noch der Umstand,
dass die Richtung des Erdbebens von Südost nach
Nordwest ging, also annähernd rechtwinklig zu der
in der Richtung Südwest nach Nordost verlaufenden
«gefährlichen » Konstruktionsebene des in Betracht
kommenden Bogensystems.

Strassburg, Mai 1912.

Der Münsterbaumeister
Knauth.
 
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