Der städtische Bereich
Die Kapitelle der Madrasa al Hallawiya in Aleppo (Beroea)
In die Gebetshalle der Madrasa al Hallawiya in Aleppo
sind Elemente einer Kirche eingegangen, die der arabi-
schen Überlieferung nach die „Kathedrale“ des antiken
Beroea war12. Die Gesamtanlage der Madrasa wurde nie
archäologisch untersucht, doch liegen mehrere Rekon-
struktionsvorschäge vor, die versuchen, aus dem inneren,
von L-förmigen Pfeilern begrenzten Quadrat von circa
10 m Seitenlänge und der halbkreisförmigen Säulenstel-
lung an seiner Westseite die ehemalige Form des Baus zu
rekonstruieren. Breite Zustimmung fand die Rekon-
struktion von M. ficochard13. Er schlug vor, aus den
Überresten einen Tetrakonchos mit Umgang, vergleich-
bar den Tetrakonchen von Bosra, Apamea und Seleukia14
zu rekonstruieren. Die engste Parallele für die Form der
Pfeiler und die ihnen zugeordneten Säulen bietet der Te-
trakonchos von Seleukia15. Nur im weiteren Sinn ver-
gleichbar ist das Pfeiler-/Säulensystem der kreuzförmigen
Anlage von QaFat Simcän16. Da sich im folgenden zeigen
wird, daß die Säulen- wie die Pfeilerkapitelle nicht in ih-
rer ursprünglichen Anordnung erhalten blieben, sind die
engen Beziehungen zum Zentralbau von Seleukia der bis
jetzt entscheidende Anhaltspunkt dafür, daß Teile eines
Tetrakonchos in die Madrasa eingingen.
Die Kirchenkapitelle, die in der Hallawiya erhalten
blieben, sind von großer Bedeutung für die Analyse der
Baudekoration des 6. Jahrhunderts, weil sie zu dem be-
deutenden Bau einer nordsyrischen Stadt gehörten, den
wir dem reichen Befund des nordsyrischen Kalkstein-
massivs vergleichend gegenüberstellen können. Die en-
gen Beziehungen zwischen der Kapitellplastik in Qalcat
SirrFän, den Kapitellen des Zentralbaus von Seleukia17
und den Kapitellen in Aleppo wurden schon früh gese-
hen, doch eine genauere Untersuchung blieb ein Desiderat.
In meiner Diskussion der Kapitelle von Qasr ibn Wardän
bin ich vor einiger Zeit auf einige der Kapitelle in Aleppo
eingegangen, um ihre Bedeutung für die Überlieferung
des Kalksteinmassivs aufzuzeigen18. Die jüngste Ausein-
andersetzung um die Baudekoration der Bauten von
Qalblöze und QaFat Simcän hat mir jedoch klargemacht,
daß die Kapitelle der Stadt Beroea detailliert vorzustellen
sind, weil die Beziehungen zwischen den nordsyrischen
Städten und den Bauten des Bergmassivs immer noch
kontrovers beurteilt werden19. Der Hauptgrund für diese
Forschungssituation ist, daß bis jetzt keine einzige der
Kirchen innerhalb der Stadtmauern Antiochias freigelegt
werden konnte.
Die Kapitelle wie auch die Kämpfer- und Gesims-
blöcke sind aus einem feinen Kalkstein von hoher
Druckfestigkeit, der sich gut bearbeiten läßt20. Ob die
Säulen aus Marmor sind, oder ob für sie der in Haupt-
bauten des 6. Jahrhunderts häufiger anzutreffende mar-
mornahe Kalkstein21 gewählt wurde, konnte ich nicht
12 Die letzte zusammenfassende Diskussion der Hallawiya mit aus-
führlichen Angaben zur älteren Literatur bei W. Eugene Kleinbauer,
The origin and functions of the aisled tetrakonch churches in Syria
and Northern Mesopotamia, DOP 37, 1973, 101 ff. Einzelaspekte
des Kapitellbefundes habe ich vor längerer Zeit diskutiert — Strube
1986, 59 ff - und damals angenommen, daß nach einem der Erdbe-
ben der Jahre 526 und 528 n. Chr.wahrscheinlich Kapitelle einer Säu-
lenbasilika in dem Zentralbau wiederverwandt wurden. Inzwischen
konnte ich die Säulen- und Pfeilerkapitelle genauer untersuchen und
halte die Wiederverwendung von Elementen einer Säulenbasilika für
weniger wahrscheinlich. Die Bezeichnung des Baus habe ich, der
Hauptliteratur folgend, gegenüber Band I geändert.
13 M. ßchochard, Note sur un edifice chretien d’Alep, Syria XXVII,
1950, 270 ff. Abb. 1-7.
14 Siehe die Zusammenstellung bei W. Eugene Kleinbauer a. O.
Abb. 2. 6. 9 undTchalenko, Eglises II Abb. 549-551.
15 Meine Untersuchungen an Ort und Stelle machen wahrscheinlich,
daß der Befund der Pfeiler oberhalb des Gesimses, das die Pfeiler ab-
schließt, gestört ist. D.h., die Pfeilerkapitelle wie auch die ihnen auf-
liegenden, architravähnlichen Blöcke sitzen nicht in ursprünglicher
Position. Es ist mehr als nur wahrscheinlich, daß die Form der Säu-
lenkämpfer mit ihrem hohen cyma recta sich ursprünglich auf den
Pfeilerkapitellen fortsetzte.
16 Tchalenko, Villages II Taf. LXXXII. In QaFat Simcän wurden für
die Pfeilerstellungen fast durchgehend Kapitelle vom Typus der Vorla-
genkapitelle gearbeitet. In Aleppo scheinen einige Kapitelle L-förmig
gewesen zu sein, andere dagegen zum Typus des Vorlagekapitells zu
gehören. Der Befund ist jedoch so stark gestört, daß die Grundform
nur durch die Untersuchung der Rückseiten der Kapitelle sicher abge-
klärt werden könnte.
17 Antioch III 157. Taf. 33 Nr. 74. 75.
18 Strube 1986 57 ff.
19 Als ich in einer Besprechung meines Buches - B. Brenk, ByzZ
1999, 171 f. — las, daß es nach Ansicht des Rezensenten „in Antiochia
keine Kalksteinbrüche gab“ und daß die Annahme, städtische, aus
Antiochia stammende Werkgruppen seien im Bergmassiv tätig gewe-
sen, so zu verstehen sei, daß „der Kalkstein über eine Distanz von 30
bis 40 km nach Antiochia transportiert worden sein soll“, wurde mir
wieder einmal bestätigt, daß die Ergebnisse zur Bearbeitung und Ver-
wendung verschiedener Materialien in Antiochia und Seleukia, die
die dortigen Grabungen erbrachten, selten zur Kenntnis genommen
werden. Eine Untersuchung der Kalksteinbrüche in der Umgebung
Antiochias wäre sehr sinnvoll.
20 Der Kalkstein der Säulenkapitelle in den Bauten des 6. Jahrhun-
derts von El Bärä steht dem dieser Kapitelle nahe.
21 Die Herkunft dieses rötlichen, in Bauten Nordmesopotamiens
5
Die Kapitelle der Madrasa al Hallawiya in Aleppo (Beroea)
In die Gebetshalle der Madrasa al Hallawiya in Aleppo
sind Elemente einer Kirche eingegangen, die der arabi-
schen Überlieferung nach die „Kathedrale“ des antiken
Beroea war12. Die Gesamtanlage der Madrasa wurde nie
archäologisch untersucht, doch liegen mehrere Rekon-
struktionsvorschäge vor, die versuchen, aus dem inneren,
von L-förmigen Pfeilern begrenzten Quadrat von circa
10 m Seitenlänge und der halbkreisförmigen Säulenstel-
lung an seiner Westseite die ehemalige Form des Baus zu
rekonstruieren. Breite Zustimmung fand die Rekon-
struktion von M. ficochard13. Er schlug vor, aus den
Überresten einen Tetrakonchos mit Umgang, vergleich-
bar den Tetrakonchen von Bosra, Apamea und Seleukia14
zu rekonstruieren. Die engste Parallele für die Form der
Pfeiler und die ihnen zugeordneten Säulen bietet der Te-
trakonchos von Seleukia15. Nur im weiteren Sinn ver-
gleichbar ist das Pfeiler-/Säulensystem der kreuzförmigen
Anlage von QaFat Simcän16. Da sich im folgenden zeigen
wird, daß die Säulen- wie die Pfeilerkapitelle nicht in ih-
rer ursprünglichen Anordnung erhalten blieben, sind die
engen Beziehungen zum Zentralbau von Seleukia der bis
jetzt entscheidende Anhaltspunkt dafür, daß Teile eines
Tetrakonchos in die Madrasa eingingen.
Die Kirchenkapitelle, die in der Hallawiya erhalten
blieben, sind von großer Bedeutung für die Analyse der
Baudekoration des 6. Jahrhunderts, weil sie zu dem be-
deutenden Bau einer nordsyrischen Stadt gehörten, den
wir dem reichen Befund des nordsyrischen Kalkstein-
massivs vergleichend gegenüberstellen können. Die en-
gen Beziehungen zwischen der Kapitellplastik in Qalcat
SirrFän, den Kapitellen des Zentralbaus von Seleukia17
und den Kapitellen in Aleppo wurden schon früh gese-
hen, doch eine genauere Untersuchung blieb ein Desiderat.
In meiner Diskussion der Kapitelle von Qasr ibn Wardän
bin ich vor einiger Zeit auf einige der Kapitelle in Aleppo
eingegangen, um ihre Bedeutung für die Überlieferung
des Kalksteinmassivs aufzuzeigen18. Die jüngste Ausein-
andersetzung um die Baudekoration der Bauten von
Qalblöze und QaFat Simcän hat mir jedoch klargemacht,
daß die Kapitelle der Stadt Beroea detailliert vorzustellen
sind, weil die Beziehungen zwischen den nordsyrischen
Städten und den Bauten des Bergmassivs immer noch
kontrovers beurteilt werden19. Der Hauptgrund für diese
Forschungssituation ist, daß bis jetzt keine einzige der
Kirchen innerhalb der Stadtmauern Antiochias freigelegt
werden konnte.
Die Kapitelle wie auch die Kämpfer- und Gesims-
blöcke sind aus einem feinen Kalkstein von hoher
Druckfestigkeit, der sich gut bearbeiten läßt20. Ob die
Säulen aus Marmor sind, oder ob für sie der in Haupt-
bauten des 6. Jahrhunderts häufiger anzutreffende mar-
mornahe Kalkstein21 gewählt wurde, konnte ich nicht
12 Die letzte zusammenfassende Diskussion der Hallawiya mit aus-
führlichen Angaben zur älteren Literatur bei W. Eugene Kleinbauer,
The origin and functions of the aisled tetrakonch churches in Syria
and Northern Mesopotamia, DOP 37, 1973, 101 ff. Einzelaspekte
des Kapitellbefundes habe ich vor längerer Zeit diskutiert — Strube
1986, 59 ff - und damals angenommen, daß nach einem der Erdbe-
ben der Jahre 526 und 528 n. Chr.wahrscheinlich Kapitelle einer Säu-
lenbasilika in dem Zentralbau wiederverwandt wurden. Inzwischen
konnte ich die Säulen- und Pfeilerkapitelle genauer untersuchen und
halte die Wiederverwendung von Elementen einer Säulenbasilika für
weniger wahrscheinlich. Die Bezeichnung des Baus habe ich, der
Hauptliteratur folgend, gegenüber Band I geändert.
13 M. ßchochard, Note sur un edifice chretien d’Alep, Syria XXVII,
1950, 270 ff. Abb. 1-7.
14 Siehe die Zusammenstellung bei W. Eugene Kleinbauer a. O.
Abb. 2. 6. 9 undTchalenko, Eglises II Abb. 549-551.
15 Meine Untersuchungen an Ort und Stelle machen wahrscheinlich,
daß der Befund der Pfeiler oberhalb des Gesimses, das die Pfeiler ab-
schließt, gestört ist. D.h., die Pfeilerkapitelle wie auch die ihnen auf-
liegenden, architravähnlichen Blöcke sitzen nicht in ursprünglicher
Position. Es ist mehr als nur wahrscheinlich, daß die Form der Säu-
lenkämpfer mit ihrem hohen cyma recta sich ursprünglich auf den
Pfeilerkapitellen fortsetzte.
16 Tchalenko, Villages II Taf. LXXXII. In QaFat Simcän wurden für
die Pfeilerstellungen fast durchgehend Kapitelle vom Typus der Vorla-
genkapitelle gearbeitet. In Aleppo scheinen einige Kapitelle L-förmig
gewesen zu sein, andere dagegen zum Typus des Vorlagekapitells zu
gehören. Der Befund ist jedoch so stark gestört, daß die Grundform
nur durch die Untersuchung der Rückseiten der Kapitelle sicher abge-
klärt werden könnte.
17 Antioch III 157. Taf. 33 Nr. 74. 75.
18 Strube 1986 57 ff.
19 Als ich in einer Besprechung meines Buches - B. Brenk, ByzZ
1999, 171 f. — las, daß es nach Ansicht des Rezensenten „in Antiochia
keine Kalksteinbrüche gab“ und daß die Annahme, städtische, aus
Antiochia stammende Werkgruppen seien im Bergmassiv tätig gewe-
sen, so zu verstehen sei, daß „der Kalkstein über eine Distanz von 30
bis 40 km nach Antiochia transportiert worden sein soll“, wurde mir
wieder einmal bestätigt, daß die Ergebnisse zur Bearbeitung und Ver-
wendung verschiedener Materialien in Antiochia und Seleukia, die
die dortigen Grabungen erbrachten, selten zur Kenntnis genommen
werden. Eine Untersuchung der Kalksteinbrüche in der Umgebung
Antiochias wäre sehr sinnvoll.
20 Der Kalkstein der Säulenkapitelle in den Bauten des 6. Jahrhun-
derts von El Bärä steht dem dieser Kapitelle nahe.
21 Die Herkunft dieses rötlichen, in Bauten Nordmesopotamiens
5