Gruppe I.
Bauten mit engen Beziehungen zur Baudekoration der
nordsyrischen Städte
EINFÜHRUNG
In dieser Gruppe werden die Nordkirche und die Klo-
sterkirche von Deir Setä, die beiden Kirchen des 6. Jhs.
von El Bärä, die Westkirche von Bäfetln und die Ostkir-
che von Bäqirhä (546 n. Chr.)> die Westkirche von Mecez
und die Südkirche von Banqüsä, sowie die Kirchen des
6. Jahrhunderts in Bärlsä, Behyo, Kefr Kllä und Herbet
Tezin (585 n. Chr.) vorgestellt (s. Karte 1—3). Obwohl
alle Bauten in ihren Dekorationsformen in der Tradition
des Zentrums Qalcat Simcän stehen und zugleich mehr
oder weniger intensiv die Neuerungen aufgrifFen, die wir auf
den Kapitellen der Hallawiya antrafen, unterscheiden sie
sich doch in einem wesentlichen Punkt: In den Kirchen
von Mecez, Banqüsä, Bärlsä, Behyo, Kefr Kllä und Her-
bet Tezin spielten voluminöse, um plastische Darstellung
bemühte Blatt- und Rankenformen eine große Rolle.
Geometrisch-flächige, von Hell-Dunkel-Kontrasten ge-
prägte Formen sind zwar Teil des Gesamtbildes, wurden
aber wesentlich zurückhaltender eingesetzt als in den
Kirchen von Deir Setä und El Bärä. Eine Sonderstellung
nehmen die Kirchen von Bäfetln und Bäqirhä ein, da in
ihnen beide Formauffassungen zusammentrafen.
Nach der Analyse der Baudekoration dieser Kirchen
und der in ihnen tätigen Werkgruppen werde ich die Be-
ziehungen zwischen der Baudekoration des Kalkstein-
massivs und dem nordmesopotamischen Bereichs in der
ersten Hälfte des 6. Jhs. diskutieren.
Gebet Bärlsä
DEIR SETÄ
Der Ort Deir Setä liegt im Ostteil des Gebel Bärlsä 89
Innerhalb des Ortes blieben drei Kirchen erhalten und
eine vierte Kirche gehört zu einem circa 500 m östlich
des Ortskerns gelegenen Klosterkomplex90. Die ersten
Untersuchungen in Deir Setä führten M. de Vogüe,
H. C. Butler und G. Tchalenko durch91. Einen Einzel-
aspekt der Nordkirche, die formale Gestaltung ihrer
Ostseite, erforschte 1983 J. P. Sodini92. Es folgte eine
Gesamtuntersuchung des Ortes durch Whedad Khoury,
deren Ergebnisse 198793 publiziert wurden. Leider wur-
den in diese Monographie die wichtigen, die schlechte
Überlieferung der Nordkirche ergänzenden Befunde der
Klosterkirche nur sehr partiell aufgenommen.
Die Nordkirche.
Eine dreischiffige Säulenarkaden-Basilika94 mit je sieben
Säulenjochen auf der N- und S-Seite, halbrunder Apsis
bei gerade abschließender O-Wand und außen vorgeleg-
ter Säulen-/Konsolenstellung, südlichem Baptisterium
und nördlichem Apsisnebenraum, zwei Türen in der
Süd-, einer Tür in der West- und einer Tür in der Nord-
fassade (Taf. 13. 16a). Die Kirche ist innen 32,20 m lang
und 18,70 m breit. Der Bau stand auf einem Podium,
das aufgrund des nach Süden stark ansteigenden Gelän-
des auf der N-Seite sehr hoch95, auf der S-Seite dagegen
niedrig war. Der gute Erhaltungszustand der Süd- und
Nordfassade sichert, daß ein umlaufendes Horizontal-
gesims alle Seiten des Baus miteinander verband. Es war
jedoch auf der O-Seite anders ausgebildet, weil die
O-Wand sich grundlegend von den anderen Fassaden
unterschied96. Das über dem Horizontalgesims liegende,
Türbögen- und Fensteröffnungen rahmende und fort-
laufende Gesims wurde auf der Süd-, West- und Nord-
seite anders organisiert (Taf. 12f; 13a. b)97. Nur auf der
Westseite verläuft das Horizontalgesims nicht durchge-
hend horizontal, vergleichbar den Fassadengesimsen des
Nordarms in Qalcat Simcän (Taf. 13b)98. Im Innenraum
gliederte ein Horizontalgesims die Hochgadenwand. Die
Säulenkapitelle, die Kapitelle der Pfeilervorlagen und des
Apsisbogens, die Archivolte des Apsisbogens und das In-
nengesims der Apsis (Taf. 14a-c; 15d) stehen einerseits
in der Tradition der Bauanlage von Q. Simcän und
führen andererseits zu den Kapitellen der Madrasa al
Hallawiya.
Von der griechischen Inschrift, die ihrer Fundlage
nach sehr wahrscheinlich zur Westtür gehörte, blieben
leider nur Fragmente erhalten99.
89 Tchalenko, Villages II Taf. L XXXIX.
90 a. O. Taf. LXXX; Khoury, Deir Setä Abb. 11.
91 de Vogüe 134 f. Taf. 116. 117; AAES II 195 f.; Butler, Early chur-
ches 128 f. Abb. 128; Tchalenko, Villages I 285 f.
92 Sodini 1984, 317 ff.
93 Khoury, Deir Setä I—II.
94 de Vogüe Taf. 116; Khoury a. O. II Abb. 26.
95 Khoury, Deir Setä II Abb. 30.
96 a.O.I Tafelteil.
97 a. O. II Abb. 30. 120-122. 138
98 Strube, Baudekoration I Abb. 12b
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Bauten mit engen Beziehungen zur Baudekoration der
nordsyrischen Städte
EINFÜHRUNG
In dieser Gruppe werden die Nordkirche und die Klo-
sterkirche von Deir Setä, die beiden Kirchen des 6. Jhs.
von El Bärä, die Westkirche von Bäfetln und die Ostkir-
che von Bäqirhä (546 n. Chr.)> die Westkirche von Mecez
und die Südkirche von Banqüsä, sowie die Kirchen des
6. Jahrhunderts in Bärlsä, Behyo, Kefr Kllä und Herbet
Tezin (585 n. Chr.) vorgestellt (s. Karte 1—3). Obwohl
alle Bauten in ihren Dekorationsformen in der Tradition
des Zentrums Qalcat Simcän stehen und zugleich mehr
oder weniger intensiv die Neuerungen aufgrifFen, die wir auf
den Kapitellen der Hallawiya antrafen, unterscheiden sie
sich doch in einem wesentlichen Punkt: In den Kirchen
von Mecez, Banqüsä, Bärlsä, Behyo, Kefr Kllä und Her-
bet Tezin spielten voluminöse, um plastische Darstellung
bemühte Blatt- und Rankenformen eine große Rolle.
Geometrisch-flächige, von Hell-Dunkel-Kontrasten ge-
prägte Formen sind zwar Teil des Gesamtbildes, wurden
aber wesentlich zurückhaltender eingesetzt als in den
Kirchen von Deir Setä und El Bärä. Eine Sonderstellung
nehmen die Kirchen von Bäfetln und Bäqirhä ein, da in
ihnen beide Formauffassungen zusammentrafen.
Nach der Analyse der Baudekoration dieser Kirchen
und der in ihnen tätigen Werkgruppen werde ich die Be-
ziehungen zwischen der Baudekoration des Kalkstein-
massivs und dem nordmesopotamischen Bereichs in der
ersten Hälfte des 6. Jhs. diskutieren.
Gebet Bärlsä
DEIR SETÄ
Der Ort Deir Setä liegt im Ostteil des Gebel Bärlsä 89
Innerhalb des Ortes blieben drei Kirchen erhalten und
eine vierte Kirche gehört zu einem circa 500 m östlich
des Ortskerns gelegenen Klosterkomplex90. Die ersten
Untersuchungen in Deir Setä führten M. de Vogüe,
H. C. Butler und G. Tchalenko durch91. Einen Einzel-
aspekt der Nordkirche, die formale Gestaltung ihrer
Ostseite, erforschte 1983 J. P. Sodini92. Es folgte eine
Gesamtuntersuchung des Ortes durch Whedad Khoury,
deren Ergebnisse 198793 publiziert wurden. Leider wur-
den in diese Monographie die wichtigen, die schlechte
Überlieferung der Nordkirche ergänzenden Befunde der
Klosterkirche nur sehr partiell aufgenommen.
Die Nordkirche.
Eine dreischiffige Säulenarkaden-Basilika94 mit je sieben
Säulenjochen auf der N- und S-Seite, halbrunder Apsis
bei gerade abschließender O-Wand und außen vorgeleg-
ter Säulen-/Konsolenstellung, südlichem Baptisterium
und nördlichem Apsisnebenraum, zwei Türen in der
Süd-, einer Tür in der West- und einer Tür in der Nord-
fassade (Taf. 13. 16a). Die Kirche ist innen 32,20 m lang
und 18,70 m breit. Der Bau stand auf einem Podium,
das aufgrund des nach Süden stark ansteigenden Gelän-
des auf der N-Seite sehr hoch95, auf der S-Seite dagegen
niedrig war. Der gute Erhaltungszustand der Süd- und
Nordfassade sichert, daß ein umlaufendes Horizontal-
gesims alle Seiten des Baus miteinander verband. Es war
jedoch auf der O-Seite anders ausgebildet, weil die
O-Wand sich grundlegend von den anderen Fassaden
unterschied96. Das über dem Horizontalgesims liegende,
Türbögen- und Fensteröffnungen rahmende und fort-
laufende Gesims wurde auf der Süd-, West- und Nord-
seite anders organisiert (Taf. 12f; 13a. b)97. Nur auf der
Westseite verläuft das Horizontalgesims nicht durchge-
hend horizontal, vergleichbar den Fassadengesimsen des
Nordarms in Qalcat Simcän (Taf. 13b)98. Im Innenraum
gliederte ein Horizontalgesims die Hochgadenwand. Die
Säulenkapitelle, die Kapitelle der Pfeilervorlagen und des
Apsisbogens, die Archivolte des Apsisbogens und das In-
nengesims der Apsis (Taf. 14a-c; 15d) stehen einerseits
in der Tradition der Bauanlage von Q. Simcän und
führen andererseits zu den Kapitellen der Madrasa al
Hallawiya.
Von der griechischen Inschrift, die ihrer Fundlage
nach sehr wahrscheinlich zur Westtür gehörte, blieben
leider nur Fragmente erhalten99.
89 Tchalenko, Villages II Taf. L XXXIX.
90 a. O. Taf. LXXX; Khoury, Deir Setä Abb. 11.
91 de Vogüe 134 f. Taf. 116. 117; AAES II 195 f.; Butler, Early chur-
ches 128 f. Abb. 128; Tchalenko, Villages I 285 f.
92 Sodini 1984, 317 ff.
93 Khoury, Deir Setä I—II.
94 de Vogüe Taf. 116; Khoury a. O. II Abb. 26.
95 Khoury, Deir Setä II Abb. 30.
96 a.O.I Tafelteil.
97 a. O. II Abb. 30. 120-122. 138
98 Strube, Baudekoration I Abb. 12b
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