Ich beginne mit dem Pfeilerkapitell der Transeptkir-
che, das sich am weitesten vom traditionellen Aufbau ko-
rinthischer Kapitelle entfernt hat (Taf. 21a. b): Die Cau-
lesstengel ersetzt ein Flechtband mit Füllornamenten,
übereinander gestaffelte Dreiecksblättchen und Ranken-
elemente treten als Einzelmotiv auf und in der verwirren-
den Motivkombination sind es vor allem die mächtigen
Blattüberfälle, die die Erinnerung an die Organisation
eines korinthischen Kapitells wachhalten. Einige Pfeiler-
kapitelle in der Stephanoskirche sind traditionell in ihrer
Innengliederung. Doch bei anderen sind kontrastreiche
Flächenmuster so dominant (Taf. 31a. b), daß dem
Betrachter bewußt wird, daß es vor allem die Blattüber-
fälle sind, die die Verbindung zur alten Kapitellform her-
stellen.
Die Weiterbildung von Blattformen konzentrierte sich
in den Kirchen El Bäräs auf die kontrastreichen, aus der
Auflösung und Umbildung der antiken Blattform her-
vorgegangenen Flächenmuster und sie geht am weitesten
bei den Pfeilerkapitellen: Medaillonformen kragen ent-
weder weit vor oder werden ganz in die Ebene der seitlich
anschließenden Blätter eingebunden und bilden mit
ihnen ein Flächenmuster. Mit dreieckigen Negativ-
mustern werden Zwischenräume gefüllt und Einzelmo-
tive schwerer lesbar, wie das Kapitell in Macaret en
Nomcän zeigt (Taf. 33e). Es wurde jedoch das Überein-
ander der Blattkränze beibehalten, und reine Flächenmu-
ster wurden — trotz der Kenntnis hauptstädtischer Kämp-
ferkapitelle (Taf. 10a. b. e) - nicht eingeführt. Erst mit
der Ausbildung der neuen, von Kapitellen Konstantino-
pels beeinflußten Kapitellformen (Taf. 1 Id; 51c—f)
wurde dieser Schritt vollzogen.
Es ist faszinierend zu sehen, daß mit dem Aufkommen
des mehrzonigen Kapitells mit kelchförmigem Mittelteil,
die älteren Varianten des korinthischen Kapitells nicht
aufgegeben werden, sondern gleichsam stehenbleiben
(Taf. 35e; 51a. b. d). Sie werden ohne größere Verände-
rung weitergearbeitet, während die neue Kapitellform
alle Neuerungen auf sich konzentriert. Genau dies war
die Situation des Arkaden- und des Kalathoskapitells in
der Transeptkirche, doch führen die Neuerungen diesmal
erheblich weiter, weil zum ersten Mal Flächenornamente
auf das rundplastische Säulenkapitell übertragen wurden
(Taf. 1 Id; 51c. e) - eine Veränderung, die in der Baude-
koration Konstantinopels nicht nur wesentlich früher,
sondern auch tiefgreifender stattfand285.
Der Mäander-Akanthuskranz des Medaillons auf der
Stirnseite des Pfeilerkapitells in El Bärä (Taf. 21a) wird -
in leicht veränderter Form - als Mäander-Rosettenkranz
eines der Hauptornamente der mehrzonigen Kapitelle
(Taf. 51c). Daneben wird auch die zweite Variante des
Mäanderkranzes auf einem der Pfeilerkapitelle El Bäräs -
die Mäanderreihe ohne Blattmotive286 - auf das mehrzonige
Kapitell übertragen. D.h., zum ersten Mal können
Flächenmuster den Blattkranz eines Kapitells ersetzen,
das sich mit oberer Hüllblattzone und traditioneller
Deckplatte immer noch nicht vollständig vom korinthi-
schen Kapitell gelöst hat. Ebenso neu ist die Einführung
der Blattranke in der kelchförmigen Mittelzone (Taf.
lld; 51c)287, und auch sie kann gegen ein anderes
Flächenornament, den Blattkelchkranz, ausgetauscht wer-
den (Taf. 5lf). Betrachten wir das Gesamtrepertoire der
Ornamente, die auf der neuen Kapitellform auftreten, so
finden wir nicht nur alle Hauptformen der Kapitelle El
Bäräs vereint, sondern darüber hinaus auch noch Tier-
protome und in den Medaillons figürliche Darstellun-
gen. Wie wurden die anderen Kapitellformen gearbeitet,
die zusammen mit den Neuschöpfungen in einem Bau
auftraten?
Zuerst ist festzuhalten, daß zwar in jeder Kirche nur
einige der Kapitelle erhalten blieben, diese jedoch klar er-
kennen lassen, daß zumindest ein großer Teil der in den
Kirchen El Bäräs vertretenen Kapitellvarianten weiterge-
arbeitet wurde: das korinthische „Normalkapitell“ mit
und ohne Girlanden und mit unterschiedlichen Blattformen
(Taf. 35e; 51b. d), das windbewegte Kapitell sowie all-
gemein windbewegter Akanthus mit verschiedenen
Blattformen (Taf. 51a. e) sowie das Arkadenkapitell
(Taf. 35a). Der Befund von Qasr ibn Wardän läßt aber
vermuten, daß nach der Jahrhundertmitte zumindest in
einigen Bauten die Mehrzahl der Kapitelle den neuen
Kapitellformen angehörten, und nur noch eine kleinere
Auswahl der anderen Kapitellformen in das nun weitge-
hend homogene Gesamtbild aufgenommen wurde.
Die Kapitelle in Kefr Rüma288 sind sehr wahrschein-
lich vor denen der Kirchen von Madbaca und Qasr ibn
Wardän entstanden. Das mehrzonige Kapitell dieser
Kapitellgruppe in Kefr Rüma (H 62. BD 82,5) weist
nicht die großen Medaillons der Vorder- und Rückseite
auf, die dieser Kapitellform einen blockhaften Charakter
verleihen und sie den Spätformen der Konsolenkapi-
telle289 vergleichbar machen, doch gilt dies auch für
einige Kapitelle in Qasr ibn Wardän.
Aussagekräftig ist jedoch, daß bei diesem Kapitell die
kelchförmige Zone noch nicht durch einen Reif —
Hauptelement in der Weiterbildung dieser Kapitellform
- vom unteren Blattkranz getrennt ist, sondern direkt in
ihn übergeht.
Vergleichen wir nun das Arkadenkapitell in Kefr
Rüma (H 65,5. BD 83) mit den Kapitellen der Transept-
kirche, so findet sich kein Anhaltspunkt für eine über
285 Strube, Polyeuktoskirche 102 ff.
286 Zu der Bedeutung der Mäanderornamente in syrischer Baudeko-
ration des 5. und 6. Jhs. siehe S. 25.
287 Zu umlaufenden Blattranken in Hauptzonen eines Säulen- oder
Pfeilerkapitells siehe S. 35 f.
288 Siehe auch S. 40 f.
289 Dazu S. 164 f.
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che, das sich am weitesten vom traditionellen Aufbau ko-
rinthischer Kapitelle entfernt hat (Taf. 21a. b): Die Cau-
lesstengel ersetzt ein Flechtband mit Füllornamenten,
übereinander gestaffelte Dreiecksblättchen und Ranken-
elemente treten als Einzelmotiv auf und in der verwirren-
den Motivkombination sind es vor allem die mächtigen
Blattüberfälle, die die Erinnerung an die Organisation
eines korinthischen Kapitells wachhalten. Einige Pfeiler-
kapitelle in der Stephanoskirche sind traditionell in ihrer
Innengliederung. Doch bei anderen sind kontrastreiche
Flächenmuster so dominant (Taf. 31a. b), daß dem
Betrachter bewußt wird, daß es vor allem die Blattüber-
fälle sind, die die Verbindung zur alten Kapitellform her-
stellen.
Die Weiterbildung von Blattformen konzentrierte sich
in den Kirchen El Bäräs auf die kontrastreichen, aus der
Auflösung und Umbildung der antiken Blattform her-
vorgegangenen Flächenmuster und sie geht am weitesten
bei den Pfeilerkapitellen: Medaillonformen kragen ent-
weder weit vor oder werden ganz in die Ebene der seitlich
anschließenden Blätter eingebunden und bilden mit
ihnen ein Flächenmuster. Mit dreieckigen Negativ-
mustern werden Zwischenräume gefüllt und Einzelmo-
tive schwerer lesbar, wie das Kapitell in Macaret en
Nomcän zeigt (Taf. 33e). Es wurde jedoch das Überein-
ander der Blattkränze beibehalten, und reine Flächenmu-
ster wurden — trotz der Kenntnis hauptstädtischer Kämp-
ferkapitelle (Taf. 10a. b. e) - nicht eingeführt. Erst mit
der Ausbildung der neuen, von Kapitellen Konstantino-
pels beeinflußten Kapitellformen (Taf. 1 Id; 51c—f)
wurde dieser Schritt vollzogen.
Es ist faszinierend zu sehen, daß mit dem Aufkommen
des mehrzonigen Kapitells mit kelchförmigem Mittelteil,
die älteren Varianten des korinthischen Kapitells nicht
aufgegeben werden, sondern gleichsam stehenbleiben
(Taf. 35e; 51a. b. d). Sie werden ohne größere Verände-
rung weitergearbeitet, während die neue Kapitellform
alle Neuerungen auf sich konzentriert. Genau dies war
die Situation des Arkaden- und des Kalathoskapitells in
der Transeptkirche, doch führen die Neuerungen diesmal
erheblich weiter, weil zum ersten Mal Flächenornamente
auf das rundplastische Säulenkapitell übertragen wurden
(Taf. 1 Id; 51c. e) - eine Veränderung, die in der Baude-
koration Konstantinopels nicht nur wesentlich früher,
sondern auch tiefgreifender stattfand285.
Der Mäander-Akanthuskranz des Medaillons auf der
Stirnseite des Pfeilerkapitells in El Bärä (Taf. 21a) wird -
in leicht veränderter Form - als Mäander-Rosettenkranz
eines der Hauptornamente der mehrzonigen Kapitelle
(Taf. 51c). Daneben wird auch die zweite Variante des
Mäanderkranzes auf einem der Pfeilerkapitelle El Bäräs -
die Mäanderreihe ohne Blattmotive286 - auf das mehrzonige
Kapitell übertragen. D.h., zum ersten Mal können
Flächenmuster den Blattkranz eines Kapitells ersetzen,
das sich mit oberer Hüllblattzone und traditioneller
Deckplatte immer noch nicht vollständig vom korinthi-
schen Kapitell gelöst hat. Ebenso neu ist die Einführung
der Blattranke in der kelchförmigen Mittelzone (Taf.
lld; 51c)287, und auch sie kann gegen ein anderes
Flächenornament, den Blattkelchkranz, ausgetauscht wer-
den (Taf. 5lf). Betrachten wir das Gesamtrepertoire der
Ornamente, die auf der neuen Kapitellform auftreten, so
finden wir nicht nur alle Hauptformen der Kapitelle El
Bäräs vereint, sondern darüber hinaus auch noch Tier-
protome und in den Medaillons figürliche Darstellun-
gen. Wie wurden die anderen Kapitellformen gearbeitet,
die zusammen mit den Neuschöpfungen in einem Bau
auftraten?
Zuerst ist festzuhalten, daß zwar in jeder Kirche nur
einige der Kapitelle erhalten blieben, diese jedoch klar er-
kennen lassen, daß zumindest ein großer Teil der in den
Kirchen El Bäräs vertretenen Kapitellvarianten weiterge-
arbeitet wurde: das korinthische „Normalkapitell“ mit
und ohne Girlanden und mit unterschiedlichen Blattformen
(Taf. 35e; 51b. d), das windbewegte Kapitell sowie all-
gemein windbewegter Akanthus mit verschiedenen
Blattformen (Taf. 51a. e) sowie das Arkadenkapitell
(Taf. 35a). Der Befund von Qasr ibn Wardän läßt aber
vermuten, daß nach der Jahrhundertmitte zumindest in
einigen Bauten die Mehrzahl der Kapitelle den neuen
Kapitellformen angehörten, und nur noch eine kleinere
Auswahl der anderen Kapitellformen in das nun weitge-
hend homogene Gesamtbild aufgenommen wurde.
Die Kapitelle in Kefr Rüma288 sind sehr wahrschein-
lich vor denen der Kirchen von Madbaca und Qasr ibn
Wardän entstanden. Das mehrzonige Kapitell dieser
Kapitellgruppe in Kefr Rüma (H 62. BD 82,5) weist
nicht die großen Medaillons der Vorder- und Rückseite
auf, die dieser Kapitellform einen blockhaften Charakter
verleihen und sie den Spätformen der Konsolenkapi-
telle289 vergleichbar machen, doch gilt dies auch für
einige Kapitelle in Qasr ibn Wardän.
Aussagekräftig ist jedoch, daß bei diesem Kapitell die
kelchförmige Zone noch nicht durch einen Reif —
Hauptelement in der Weiterbildung dieser Kapitellform
- vom unteren Blattkranz getrennt ist, sondern direkt in
ihn übergeht.
Vergleichen wir nun das Arkadenkapitell in Kefr
Rüma (H 65,5. BD 83) mit den Kapitellen der Transept-
kirche, so findet sich kein Anhaltspunkt für eine über
285 Strube, Polyeuktoskirche 102 ff.
286 Zu der Bedeutung der Mäanderornamente in syrischer Baudeko-
ration des 5. und 6. Jhs. siehe S. 25.
287 Zu umlaufenden Blattranken in Hauptzonen eines Säulen- oder
Pfeilerkapitells siehe S. 35 f.
288 Siehe auch S. 40 f.
289 Dazu S. 164 f.
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