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Drei Entwicklungsstufen.

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die Perser und vollends die Inder. Aber wenn man bedenkt, wie sehr die Perser
und die Griechen (von den jüdisch-persischen Beziehungen nicht zu reden) einander
suchten, freilich in sehr verschiedenem Sinne; wie schon seit dem sechsten Jahr-
hundert Griechen in immer wachsender Zahl an den persischen Hof gingen; wie es
griechische Künstler waren, die nach dem Sinne des Königs die persische Kunst
schufen; wieviel Kriegsgefangene die Griechen an die Perser abgaben, aber auch die
Perser in Griechenland zurückließen; wenn wir sehen, wie Antisthenes und Xenophon,
indem sie ihrem - Volke neue Ideale vorzeichneten, auf die Perser hinwiesen: so würde
man sich nicht wundern, Spuren eines Austausches auch auf religiösem Gebiet zu
treffen. Greifbar wird solches Herüberwirken freilich erst im letzten Zeitraum
des Altertums, wo ein Samenkorn aus Persien in den klassischen Boden fiel und sich
zu einem weithin über das Römerreich schattenden Baume entwickelte, allerdings der
Mutter fast ähnlicher als dem Vater, darin verwandt der gleichzeitigen Entwicklung
jenes aus Judäa in den griechischen Boden gebrachten Senfkorns. Fehlte es auch
ganz an solcher Fernwirkung, wie sie in den Mithrasmysterien doch vorliegt, so bliebe
immer die wichtige Wurzelverwandtschaft der Perser und Griechen. Ebendies gilt
von den Indern, nur daß Übertragungen von Indien her noch problematischer sind.
Andere Gesichtspunkte werden uns zu diesen Völkern noch zurückführen.

Drei Entwicklungsstufen.

In der Geschichte der Jenseitsvorstellungen lassen sich mancherlei Wandlungen
beobachten, in denen drei Hauptmomente hervortreten, Urglaube, Reform und Reaktion.
Zunächst einige Worte über diese drei Entwicklungsstufen.

Alle Jenseitsvorstellungen wurzeln im Urglauben, der seinerseits mit den
Urgebräuchen zusammenhängt, Ihrer aller Ursache ist der absolute Gegensatz des
Lebensgefühls zu dem das Leben aufhebenden Tod; der natürliche Mensch weiß
weder das Leben richtig zu werten noch sich in die Tatsache des Todes zu schicken
und begehrt in naiver Unbescheidenheit mehr als des Menschen Teil ist. Die primi-
tive Einbildung eines Fortlebens des doch toten Menschen rechtfertigt sich nur als
ein erster Versuch, die Aufgabe zu lösen, welche gereiftere- Geistesverfassung sich
klarer darstellt, das ist, den Tod geistig zu überwinden.

Der Widerspruch zwischen der Tatsache des eingetretenen Todes und dem
Postulat der Fortdauer fand einen Ausgleich in der Vorstellung eines vom Körper
sieh lösenden und getrennt weiter existierenden Lebensträgers. Den Vorgang des
Sterbens beobachtend glaubte man im letzten Hauch aus dem offenbleibenden Munde
den entweichenden Träger des Lebens und Willens zu erkennen, der nun wie ein aus
dem Nest gestoßener Vogel in die Luft flattere, vielleicht im Winde verwehe oder
aber, hieran klammert sich das Lebensgefühl, sich erhalte und einen Aufenthalt suche.
Das ist die Genesis der eigentlichen Seelenidee, im besonderen der Hauch- oder Luft-
seele (Psyche) und des grob mythischen Seelenvogels. Von der Hauchseele, sofern sie
nicht verweht, dachte man zunächst, daß sie in der Nähe bleibe, der Todesstätte, des
Hauses, des Grabes; und daß vielleicht diese oder jene dem Nachgebliebenen
begegnende oder auffallende Gestalt eben der Verstorbene sei, in deren Körper die
Seele eintrat, um in ilim sichtbar zu werden, etwa ein Tier, eine Blume, vielleicht
auch ein anderer Mensch. Vermag die Seele aber sich so frei zu bewegen und in
 
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