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Die Jenseitsgedanken des Altertums.

einem dieser Traumgesichte steigt Perjietua die Himmelsleiter hinan, Satyros ging ihr
voran. Oben sah sie einen sehr großen Garten, und mitten darin einen übergroßen
weißharigen Mann sitzen, in Hirtengestalt, der die Schafe melkte (der Christus); es
umstanden ihn aber viele Tausende in weißen Kleidern. Er hob den Kopf, hieß
Perpetua willkommen und gab ihr von dem „frischgemolkenen Käse* wie einen Mund-
voll, sie nahm's, die Hände gefaltet, und aß, und alle sprachen Amen (IV). — Der
selige Satyros erzählt sein Gesicht. Schon aus den Körpern gegangen wurden wir
(die Seelen) von vier Engeln getragen (gegen Morgen, und zwar ohne von ihren
Händen berührt zu werden) wie eine schräge Rampe hinan. Aus der ersten Welt
hinausgegangen, sahen wir ein sehr glänzendes Licht. Da kamen wir in einen großen
Raum, er war wie ein Garten mit Rosenbäumen und Blumen aller Art, die Bäume
so hoch wie Zypressen, unaufhörlich fielen (sangen?) ihre Blätter. Doch fanden wir
viele Vorausgegangene. Dann führten die Engel uns zum Herrn. Der Raum hatte
Wände wie von Licht aufgebaut, vor der Tür zogen uns die Engel weiße Kleider an.
Eingetreten, hörten wir im Chor gesprochen unaufhörlich die Worte „Heilig, Heilig,
Heilig". In der Mitte saß ein Mann mit schneeweißem Haar und jugendlichem Ge-
sicht, die Füße sahen wir nicht; je vier Alteste standen ihm zu den Seiten, hinter
ihnen noch viel mehr. Vor dem Throne hoben uns die Engel auf, und wir küßten
ihn, und er fuhr uns mit der Hand über die Augen. Weiterhin treten sie in den
Garten, finden viele Brüder — — uns alle sättigte ein unbeschreiblicher Duft (Passio
Perpetuae XI—XIII Robinson).

Zum Ende des Kapitels nehmen wir das eingangs Gesagte wieder auf, daß es
für den Zweck dieses Buches notwendig erschien, die christlichen Jenseitsvorstellungen
in ihren geschichtlichen Zusammenhang gestellt vorzuführen, also in den Rahmen der
entsprechenden Vorstellungen des gesamten Altertums. Aber wir durften nicht daran
denken, das schwierige und oft schlüpfrige Gebiet der mythenvergleichenden und
religionsgeschichtlichen Forschung zu betreten, oder zu den schwebenden Streitfragen
auch nur andeutend uns zu äußern. Es wird noch viel Wasser den Euphrat und
den Nil, den Kephissos und den Tiber hinablaufen, bis daran gedacht werden kann,
statt eines bloßen Schemas der antiken Jenseitsvorstellungen ihre lebendige Geschichte
zu geben. Wohl möglich jedoch und ein dankenswertes, in Teilen auch schon vor-
bereitetes Unternehmen wäre es, wenn ein so nüchterner wie durchdringender Kopf
eine kritische Darstellung der christlichen Jenseitsvorstellungen geben und einen
mythologischen Kommentar dazu schreiben wollte.
 
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