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Erlösungstypen.

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süchtigen Geschmack der Zeit, diese Rettungen aus allerlei Todesnot, des Daniel aus
der Löwengrube, der drei Jünglinge aus dem glühenden Ofen, des Noah aus der
Sintflut, des Jonas aus dem Bauch des Meertiers, des Isaak vom drohenden Opfer-
tod usf. Mehrere sind auffallend oft wiederholt, sie waren beliebter als andere, ver-
mutlich weil sie den Gedanken, auf den es den Christen ankam, besonders deutlich
ausdrückten. Sinnbildlich sind alle diese Bilder zu verstehen; das Bild erschöpft seine
Aufgabe, indem es eine Idee ausspricht. Nicht als ob der Maler nicht als Künstler
empfunden hätte, aber das Künstlerische kommt nur in der Form des Dekorativen
zur Geltung. Erst im dritten und vierten Jahrhundert keimt ein Interesse am
Gegenstand auf, leise beginnt der Maler den Ton des Erzählers anzuschlagen, das
Sinnbild möchte Historienbild werden.

Daniel in der Löwengrube. Der Typus hatte sich in 39 Exemplaren er-
halten, davon sind drei verschollen (Abbildungen oben S. 155 im Orpheusplafond,
S. 210 in der Kopfleiste dieses Kapitels, und unten in der des Kapitels „Selige im
Himmel"). Auf Anstiften seiner Gegner, so heißt es, wurde Daniel in die Löwen-
grube geworfen, am anderen Morgen aber fand man ihn unversehrt, „weil er auf seinen
Gott vertraut hatte1', Daniel Kap. 6, vgl. das Stück vom Drachen Vers 38—39 Sept.
Dargestellt wird er, die Hände betend erhoben, zwischen zwei Löwen, die symmetrisch
angeordnet nach ihm hinschreiten oder sitzen, in der Regel mit drohend geöffnetem
Rachen; auch berühren sie ihn mit gehobener Tatze. Daniel erscheint anfangs in der
Tunika, seit dem dritten Jahrhundert nackt, vereinzelt auch mit einem Lendentuch
(Wilpert Taf. 166, 2. 169, 1). .Die christlichen Künstler suchten die Nacktheit nicht,
wie es die heidnischen aus künstlerischem Interesse getan hatten; aber sie nahmen sie
antik arglos, wo sie gegeben war, wie bei Adam und Eva, Jonas, Daniel. Gegeben
war dessen Nacktheit zwar nicht im Buch Daniel, auch nicht im ursprünglichen bild-
lichen Typus, sondern in der Auffassung der späteren Maler; für die Löwengrube
schob sich ihrer Phantasie die ihnen geläufigere Vorstellung von der Arena mit den
Tierkämpfen unter und die der Verurteilungen „zu den Raubtieren", „zu den Löwen"
(ad bestias, ad leones); diese Art Tierkämpfe aber wurde in mehr oder minderer
Nacktheit ausgeführt. Was aber bedeutete das Bild den Christen? Natürlich einen
Schmuck des Grabes und der Gruft; darüber hinaus aber nicht ein historisches Bild,
der Endzweck war nicht, einen Vorfall aus der jüdischen Geschichte zu erzählen. Das
Interesse der Christen an der jüdischen Geschichte ging gerade nur so weit, als ihr
Christentum daran interessiert war; die biblischen Geschichten waren ihnen Prototype
der christlichen Geschichten und der christlichen Erfahrungen. Der Gott Daniels
„kann erretten und befreien, tut Zeichen und Wunder am Himmel und auf Erden, er,
der Daniel aus der Gewalt der Löwen errettet hat" (Vers 28), er errettet auch den
Christen aus dem Rachen des Todes. Einmal ragt Daniel mit halbem Leibe aus dem
Boden hervor, wie aus einer Grube, etwa dem Grabe? so daß also im Daniel der aus
dem Grabe, das ist dem Tod, ins Leben gerettete Christ selbst dargestellt wäre (vgl.
die Abbildung in der Kopf leiste über unserem Kapitel „Selige im Himmel").
Sekundär finden wir bei den Kirchenschriftstellern Daniel noch für einen besonderen
Fall prototypisch verwendet, als Trost im Martyrium; dahin konnte auch der von den
Malern in die Arena verpflanzte Daniel gedeutet werden.

Daß gerade das Buch Daniel für die altchristliche Malerei wichtig wurde, darf
nicht Wunder nehmen nach der großen Bedeutung, die dem Buche für das nach-

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