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304

Syntax der figürlichen Typen.

in der Grabmalerei ein Ausdruck der Bitte um den Beistand Gottes für die Seele des
Verstorbenen (382). Die Susanna zwischen den zwei lüsternen Alten führe uns im
Bilde vor, was die Bitte besage: Befreie, o Herr, die Seele des Verstorbenen (413).
Wieder andere Bilder seien Darstellungen, welche die Bitte um Zulassung des Ver-
storbenen in die ewige Seligkeit ausdrückten (417). Er geht sogar so weit, daß er
den Malern die Absicht zuschreibt, „die Besucher der unterirdischen Grabstätten zum
Gebete für die Verstorbenen anzuleiten" (334).

In gleicher Weise, als bildlichen Ausdruck von Bittgebeten, erklärt Wilpert
weiterhin die zwischen Seligen („Heiligen") stehenden Oranten. Solch ein Gemälde
habe „einen großen Wert; denn es sei eine Verbildlichung der uralten Bitte um Anteil
an der Gemeinschaft der Heiligen" (464). Aus Grabschriften des vierten Jahrhunderts
bringt er eine Reihe Bitten an Heilige um Aufnahme des Verstorbenen in den himm-
lischen Frieden, fährt dann aber fort „In der Malerei der Katakomben fanden jene
Bitten ihren bildlichen Ausdruck" — nun gebe man acht — „oder vielmehr ihre
Beantwortung in den Darstellungen, welche den Verstorbenen zwischen--Hei-
ligen zeigen" (465). Mit den Worten „oder vielmehr ihre Beantwortung" nimmt
Wilpert seine ganze Lehre von den „Bildergebeten" selbst zurück; er muß der Wahr-
heit die Ehre geben und anerkennen, daß eben nicht Bitten gemalt sind, sondern
„vielmehr ihre Beantwortung", das ist ihre Erfüllung. Denn gemalt ist ganz einfach
der A^erstorbene zwischen anderen Seligen im Himmel, gemalt ist „die Gewißheit, daß
der Verstorbene der Seligkeit teilhaftig geworden ist", das sind Wilperts eigne Worte
an andrer Stelle (431).

In den Grabschriften gehen die Hinterbliebenen allerdings den Verstorbenen um
seine Fürbitte an, „denn, sagen sie, wir wissen, daß du bei Christus bist" (quia seimus
te in Christo, bei Wilpert 211). In einem andern Epitaph heißt es „er war begierig
Gott zu schauen, er hat ihn zu schauen bekommen" (Deum videre cupiens vidit);
daran anschließend sagt Wilpert „Was die Hinterbliebenen hier mit solcher Sicherheit
aussprechen, daß der Verstorbene nämlich zur Anschauung Gottes gelangt ist, wird
in einigen liturgischen Gebeten und späteren Inschriften Gott in Form einer Bitte
vorgetragen" und „die cömeteriale Kunst brachte diese Bitte zum Ausdruck" (421).
Warum geht Wilpert am Nächstliegenden, daß die Bilder das Schauen Gottes aus-
sprechen, vorbei und folgt den liturgischen Gebeten und späteren Inschriften? Auch
hier war der Wunsch Vater des Gedankens, der Wunsch, geltende Dogmen in den
Denkmälern des christlichen Altertums ausgedrückt zu sehen.

Gott zu schauen, das war der Gedanke des antiken Christen; darum stellen ihn
die Gruftmalereien anbetend dar, vor dem Angesicht des Herrn, der ihn aus dem Tod
erlöst, wie er so viele schon aus allerlei Not, Todesnot, erlöste, und der ihn in das
himmlische Paradies verbringt zum Gelage des himmlischen Bräutigams.

Das ist der Gedanke der Katakombenmalereien.
 
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