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DIE DEKORATION DER VERPUTZTEN PALASTFASSADEN UND -HÖFE

»Die Fassadenmalerei bestimmte noch um ijjo offenbar die Physiognomie mancher Städte
im wesentlichen Grade.«

Jacob Burckhardt, »Cicerone«

Den Hauptteil des Straßenbildes nehmen die repräsentativen Wohngebäude, die Paläste ein. Unter ihnen ist die
Gruppe der Rustika- und Quaderbauten die bei weitem kleinere; die Dauerhaftigkeit ihres Materials, ihr künst-
lerischer Rang und ihre Pflege durch ein und dieselbe Besitzerfamilie haben sie zumeist vor Willkür und Zerstö-
rung bewahrt. Hingegen ist die große, das Bild der Straßenzüge weithin bestimmende Zahl der Putzmauerbauten
weithin unbekannt, der unaufhaltsame Verfall des die Dekoration tragenden Mauerputzes hat ihren Wert in den
Augen der Öffentlichkeit und der Besitzer so herabgesetzt, daß man früher keine Bedenken trug, Fragmente ihres
alten Fassadenschmuckes restlos herunterzuschlagen oder die ruinöse Dekoration unter einer Tünche verschwin-
den zu lassen.
Den ornamentalen oder bildlichen Schmuck einer verputzten Wandfläche pflegt man sich in Freskomalerei vorzu-
stellen; im Gebiet von Florenz und der Toskana ist davon an den Außenwänden der Paläste und Höfe sehr wenig
erhalten und auch wenig überliefert (im Gegensatz zu Oberitalien und Rom). Selbst wenn man starke Verluste im
Laufe der letzten Jahrhunderte einberechnet, spricht nichts dafür, daß die farbige Fassadenmalerei für das Florenz
der Renaissance bestimmend gewesen sei (siehe Katalog der farbigen Fassadenfresken Nr. 78-100). Das bestätigt ein
Bericht von Agostino Lapini, einem Chronisten des späten 16. Jahrhunderts. Demnach enthüllte man erst im Jahre
1575, kurz vor dem Johannisfest (24. Juni), »la prima facciata dipinta delle case qui in Firenze«. Ihr folgten weitere
191 vier bei Lapini genannte, von denen zwei heute noch sichtbar sind: die freskierte Fassade des Palazzo Mellini in der
199 N\ül dei Benci, von dem niederländischen Salviatischüler Giovanni Stalf, sowie die des Palazzo Benci an der Piazza
Madonna degli Aldobrandini (gegenüber der Medicikapelle von S. Lorenzo), von der man sagt, sie sei die schönste
von allen8. Diese Spätblüte der farbigen Fassadenmalerei wurde von den großen Freskanten Vasari und Salviati
unter dem Eindruck der römischen Werke Raffaels und Michelangelos hervorgerufen. Sie fand ihren Höhepunkt in
Poccetti, genannt »Bernardino delle facciate« (1548-1612), und ihre barocke Steigerung in Giovanni da San Gio-
vanni (1592-1636). - Zeugnisse der frühen Florentiner Fassadenmalerei finden sich in größerer Dichte aus dem
172-176 späten 14. und frühen 15. Jahrhundert, u. a. an der Loggia del Bigallo, am Palazzo di Parte Guelfa, an mehreren
168-171 Hospitälern sowie an dem heute einzigartigen Palazzo Datini in Prato. Insgesamt geht daraus hervor, daß das
farbige Außenfresko in Florenz nur zu Beginn und am Ende der Renaissance eine Rolle gespielt hat, doch während
ihrer Hauptzeit - wie noch erhärtet werden kann - weder an Sakral- noch an Profanbauten Verwendung fand.
Auch die monochromen Helldunkel-Malereien in Freskotechnik, die sogenannten Chiaroscuri, haben sich in der
Florentiner Fassadendekoration nicht durchsetzen können, sie scheinen nur in der Hochrenaissance bis zur Mitte
des Cinquecento beliebt gewesen zu sein.
In Florenz und in der Toskana wurde an Stelle des Freskos eine andere Technik für Außendekorationen entwickelt,
das Sgraffito-, mit ihm wurde die überwiegende Zahl der anspruchsvolleren Profanbauten der Renaissance ge-
schmückt. Als erster hat vor einem Jahrhundert Jacob Burckhardt sein Augenmerk darauf gelenkt; er beobachtete,
daß »schon die Frührenaissance hier [in Florenz] in bloß ornamentalen Sgraffiti einiges Treffliche aufzuweisen hat«
und »in der Folge phantastische Figuren, Pane, Nymphen, Medaillons, auch ganze historische Kompositionen ein-
farbig an den Fassaden angebracht wurden« (»Der Cicerone«, 1855, S. 292); seine das Gesamtgebiet der Fassaden-

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