KATALOG DER CHIAROSCURO-FASSADEN IN FLORENZ UND DER TOSKANA
Die wenigen heute noch faßbaren Beispiele dieser dem Sgraffito in der künstlerischen Wirkung verwandten Dekorationsart wurden hier
möglichst eingehend, wenn auch für Siena wohl noch nicht erschöpfend, behandelt.
66 Palazzo Vecchio, Innenhof Florenz Abb. 179,181
Piazza della Signoria
Besitzer: Für die »Gonfalonieri di Giustizia« und die »Priori
delle Arti« erbaut (lt. Sinibaldi). Comune di Firenze
Innenhof: Der Palastbau 1299 von Arnolfo di Cambio begon-
nen. 1454 wurde der Hof von Michelozzo di Bartolomeo nach
dem Vorbild des Hofes im Palazzo Medici-Riccardi erneuert.
Die Unregelmäßigkeit des einem Quadrat angenäherten Grund-
risses (drei Arkaden an der Ostseite, je zwei an den übrigen
Seiten) zeugt dafür, daß die erneuerten Säulen an die alte Stelle
kamen (s. Stegmann/Geymüller, n, Michelozzo, Fig. 19). - Den
Jochen entsprechen die Fensterachsen im 1. und 2. Obergeschoß
(Aufriß s. Stegmann/Geymüller, 11, Fig. 20). Über den Arkaden
verläuft nicht wie im Palazzo Medici-Riccardi ein beiderseits
von Simsleisten begrenzter Fries, sondern zieht sich eine glatte
Wandzone bis zum Gesims unter den Fenstern des 1. Ober-
geschosses hin, die nur von den plastischen Tondi in den Arka-
denzwickeln unterbrochen wird (darin der von der Lilie ge-
krönte Adler, das Sinnbild der Parte Guelfa, die Palle der Medici,
der silber-rote Schild des Florentiner Staates, das rote Kreuz der
Bürger, die Lilie der Comune u. a.). Die Rundbogenfenster des
1. und 2. Obergeschosses sitzen auf stark profilierten Gesimsen.-
Verputztes Mauerwerk. - 1565 wurde der Hof anläßlich der
Heirat von Francesco de’Medici mit Johanna von Österreich neu
ausgeschmückt, die Pfeiler mit Stuckornamenten überkleidet,
Wände und Wölbungen des Erdgeschosses farbig ausgemalt.
Das Aussehen des Frieses beschreibt Fantozzi 1842: «Nel fregio,
ehe rimane sopra gli archi sono dipinte spoglie, trofei, armi da
guerra e 10 prigioni legati a 5 tondi di pietra ne’ quali sono le
armi ed insegne antiche della Cittä e Comune di Firenze, con piü
quella del Duca Cosimo.» (p. 42.)
Chiaroscuri: Seit der Umgestaltung des Hofes durch Michelozzo
1454 war die oben beschriebene Wandzone über den Arkaden
mit Chiaroscuri geschmückt, wie aus einem Teil davon, der
unter Vasaris farbigen Fresken von 1565 in der Nordostecke
wieder sichtbar wurde, zu schließen ist. Daß es sich um Chia-
roscuri und nicht um Sgraffiti handelt, konnte erst jüngst an
Hand eines abgenommenen benachbarten Feldes festgestellt wer-
den (s. unter »Erhaltung«). Das feine Lineament der großformi-
gen Akanthusstaude, deren Blattwerk sich bis zu den Bogen-
scheiteln ausbreitet, ist hier in seiner Wirkung dem Sgraffito sehr
nahe verwandt.
Erhaltung: Stegmann/Geymüller berichten nur von den großen
Wandflächen der Obergeschosse, die jetzt schmucklos verputzt
sind: »Die Sgraffitodekoration der Mauern, bestehend in Lilien
auf blauem Grund, wurde 1809 auf Befehl der französischen
Regierung in Toskana beseitigt, sie ist noch bei Grandjean/
Famin abgebildet (18061, PI. 32).« An den Wänden des 1. Ober-
geschosses sieht man dort fingiertes Quaderwerk, die Lilien
sind in Vierpässen von der Höhe zweier Quaderlagen regel-
mäßig über die Fläche verteilt.
Ob unter dem heutigen Putz noch etwas von jener Dekoration
liegt, ist ungewiß, aber in der Zone über den Arkaden blieb wahr-
scheinlich unter der farbigen Freskoschicht von 1565 die ge-
samte Chiaroscurodekoration Michelozzos erhalten. Um Gewiß-
heit zu erlangen, wurde 1961 ein größeres Stück des Freskos
von 1565 vorübergehend entfernt und darunter tatsächlich die
Fortsetzung der Chiaroscuri festgestellt, die dem Fresko als
Rauhputz (Arriciato) dienten und mit der Spitzhacke bearbeitet
worden waren. Das freigelegte Chiaroscuro wurde abgenommen,
durch einen neuen Putz ersetzt und das vasarianische Fresko wie-
der angebracht. Über den Vorgang und technischen Befund
berichtete uns freundlicherweise der Restaurator Cesare Benini
an Hand der abgenommenen Teile.
Datierung und Meister: Am 11. Oktober 1454 ist die Umgestal-
tung des Hofes in vollem Gange (Urkunden s. Gaye, Carteggio,
1,5 60, und C. v. Fabriczy, 1904). Als leitender Meister gilt Miche-
lozzo.
Literatur: Granjean/Famin, 18061, s. unter »Erhaltung«.
Fantozzi, Guida, 1842, p.42, s. unter »Chiaroscuri«.
Stegmann/Geymüller, 11, 1, Michelozzo, p.22, s. unter »Erhal-
tung«.
C. v. Fabriczy, Michelozzo di Bartolomeo, in Jahrb. d. preuß.
Kunstslg. xxv, 1904, Beiheft, p. 41: Daten betreffs der Wieder-
herstellung der Hof halle des Palazzo Vecchio im Jahre 1454:
»Sonderbar bleibt nur, daß in den bezüglichen Provisionen der
Signorie Michelozzos Name nirgends vorkommt.«
Limburger, 1910, Nr. 710, m. Literatur.
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Die wenigen heute noch faßbaren Beispiele dieser dem Sgraffito in der künstlerischen Wirkung verwandten Dekorationsart wurden hier
möglichst eingehend, wenn auch für Siena wohl noch nicht erschöpfend, behandelt.
66 Palazzo Vecchio, Innenhof Florenz Abb. 179,181
Piazza della Signoria
Besitzer: Für die »Gonfalonieri di Giustizia« und die »Priori
delle Arti« erbaut (lt. Sinibaldi). Comune di Firenze
Innenhof: Der Palastbau 1299 von Arnolfo di Cambio begon-
nen. 1454 wurde der Hof von Michelozzo di Bartolomeo nach
dem Vorbild des Hofes im Palazzo Medici-Riccardi erneuert.
Die Unregelmäßigkeit des einem Quadrat angenäherten Grund-
risses (drei Arkaden an der Ostseite, je zwei an den übrigen
Seiten) zeugt dafür, daß die erneuerten Säulen an die alte Stelle
kamen (s. Stegmann/Geymüller, n, Michelozzo, Fig. 19). - Den
Jochen entsprechen die Fensterachsen im 1. und 2. Obergeschoß
(Aufriß s. Stegmann/Geymüller, 11, Fig. 20). Über den Arkaden
verläuft nicht wie im Palazzo Medici-Riccardi ein beiderseits
von Simsleisten begrenzter Fries, sondern zieht sich eine glatte
Wandzone bis zum Gesims unter den Fenstern des 1. Ober-
geschosses hin, die nur von den plastischen Tondi in den Arka-
denzwickeln unterbrochen wird (darin der von der Lilie ge-
krönte Adler, das Sinnbild der Parte Guelfa, die Palle der Medici,
der silber-rote Schild des Florentiner Staates, das rote Kreuz der
Bürger, die Lilie der Comune u. a.). Die Rundbogenfenster des
1. und 2. Obergeschosses sitzen auf stark profilierten Gesimsen.-
Verputztes Mauerwerk. - 1565 wurde der Hof anläßlich der
Heirat von Francesco de’Medici mit Johanna von Österreich neu
ausgeschmückt, die Pfeiler mit Stuckornamenten überkleidet,
Wände und Wölbungen des Erdgeschosses farbig ausgemalt.
Das Aussehen des Frieses beschreibt Fantozzi 1842: «Nel fregio,
ehe rimane sopra gli archi sono dipinte spoglie, trofei, armi da
guerra e 10 prigioni legati a 5 tondi di pietra ne’ quali sono le
armi ed insegne antiche della Cittä e Comune di Firenze, con piü
quella del Duca Cosimo.» (p. 42.)
Chiaroscuri: Seit der Umgestaltung des Hofes durch Michelozzo
1454 war die oben beschriebene Wandzone über den Arkaden
mit Chiaroscuri geschmückt, wie aus einem Teil davon, der
unter Vasaris farbigen Fresken von 1565 in der Nordostecke
wieder sichtbar wurde, zu schließen ist. Daß es sich um Chia-
roscuri und nicht um Sgraffiti handelt, konnte erst jüngst an
Hand eines abgenommenen benachbarten Feldes festgestellt wer-
den (s. unter »Erhaltung«). Das feine Lineament der großformi-
gen Akanthusstaude, deren Blattwerk sich bis zu den Bogen-
scheiteln ausbreitet, ist hier in seiner Wirkung dem Sgraffito sehr
nahe verwandt.
Erhaltung: Stegmann/Geymüller berichten nur von den großen
Wandflächen der Obergeschosse, die jetzt schmucklos verputzt
sind: »Die Sgraffitodekoration der Mauern, bestehend in Lilien
auf blauem Grund, wurde 1809 auf Befehl der französischen
Regierung in Toskana beseitigt, sie ist noch bei Grandjean/
Famin abgebildet (18061, PI. 32).« An den Wänden des 1. Ober-
geschosses sieht man dort fingiertes Quaderwerk, die Lilien
sind in Vierpässen von der Höhe zweier Quaderlagen regel-
mäßig über die Fläche verteilt.
Ob unter dem heutigen Putz noch etwas von jener Dekoration
liegt, ist ungewiß, aber in der Zone über den Arkaden blieb wahr-
scheinlich unter der farbigen Freskoschicht von 1565 die ge-
samte Chiaroscurodekoration Michelozzos erhalten. Um Gewiß-
heit zu erlangen, wurde 1961 ein größeres Stück des Freskos
von 1565 vorübergehend entfernt und darunter tatsächlich die
Fortsetzung der Chiaroscuri festgestellt, die dem Fresko als
Rauhputz (Arriciato) dienten und mit der Spitzhacke bearbeitet
worden waren. Das freigelegte Chiaroscuro wurde abgenommen,
durch einen neuen Putz ersetzt und das vasarianische Fresko wie-
der angebracht. Über den Vorgang und technischen Befund
berichtete uns freundlicherweise der Restaurator Cesare Benini
an Hand der abgenommenen Teile.
Datierung und Meister: Am 11. Oktober 1454 ist die Umgestal-
tung des Hofes in vollem Gange (Urkunden s. Gaye, Carteggio,
1,5 60, und C. v. Fabriczy, 1904). Als leitender Meister gilt Miche-
lozzo.
Literatur: Granjean/Famin, 18061, s. unter »Erhaltung«.
Fantozzi, Guida, 1842, p.42, s. unter »Chiaroscuri«.
Stegmann/Geymüller, 11, 1, Michelozzo, p.22, s. unter »Erhal-
tung«.
C. v. Fabriczy, Michelozzo di Bartolomeo, in Jahrb. d. preuß.
Kunstslg. xxv, 1904, Beiheft, p. 41: Daten betreffs der Wieder-
herstellung der Hof halle des Palazzo Vecchio im Jahre 1454:
»Sonderbar bleibt nur, daß in den bezüglichen Provisionen der
Signorie Michelozzos Name nirgends vorkommt.«
Limburger, 1910, Nr. 710, m. Literatur.
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