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Rodenwaldt, Gerhart; Deutsches Archäologisches Institut <Berlin, West> / Abteilung <Athēnai> [Hrsg.]
Tiryns: die Ergebnisse der Ausgrabungen des Instituts (Band 2): Die Fresken des Palastes — Wiesbaden, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.1142#0215
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205

IV. TECHNIK UND SYSTEM
DER WANDDECORATION.

Wir können annehmen, dass alle Innenwände des Tirynther Palastes einen Über-
zug ans Kalkstuck trugen ', denn soweit nicht der alte Boden zerstört ist, haben sich
in zahlreichen Zimmern, Corridoreu und Vorräumen sichere, wenn auch oft nur wenige
Ceutimeter hohe Stücke erhalten. Ob die Aussen wände ebenfalls mit Stuck verkleidet
oder wie die Burgmauern nur mit Lehm verstrichen waren, lässt sich nicht entschei-
den. Wir können ferner nach den Funden vermuten, dass fast alle diese Wände einen
bunten Farbenschmuck trugen, da sich keine grösseren Mengen unbemalten Stuckes
gefunden haben. Eine Periode, in der dieser Stucküberzug eine constructive Bedeu-
tung gehabt hätte2, hat es auf dem Festland nicht gegeben, sondern er ist als rein
decoratives Element aus Kreta übernommen worden. Die technische Herstellung und
Anbringung ist daher im Wesentlichen die gleiche wie dort, wiewohl sich im Einzel-
nen manche localen Unterschiede feststellen lassen. Im Gegensatz zu Kreta handelt es
sich in Tiryns ausschliesslich um Mauern, die aus Bruchsteinen und vielfach in ihren
oberen Teilen aus Lehmziegeln bestanden. Nur gelegentlich, an den Türparastaden,
sind Quadern, Conglomerat- oder Sandsteine, verwandt. In dem einen Falle, wo im
kleinen Megaron noch jetzt der Wandstuck die Sandsteinparastas bedeckt, sitzt er,
wie bei den kretischen Quaderwäuden aus Gips- oder Sandstein, unmittelbar ohne
trennende Zwischenschicht auf dem Steine auf, während die Bruchsteinmauern nach
kretischem Gebrauch zunächst mit einer ausgleichenden Unterlage bedeckt sind.

Diese Schicht besteht in Kreta in der Regel aus Kalk, untermischt mit Sand,
Kieselsteinen und Thonscherben (Heatou, a. a. O. 701), in Tiryns dagegen durch-
gängig aus gelbem Lehm, der reichlich mit Häcksel vermengt ist. Verbrannte Teile
dieser Unterlage sind mehrfach in situ und häufig an einzelnen Fragmenten er-
halten, wo sich im Brande der Stuck mit der Lehmschicht fest vereinigt hat. Auch
die Fragmente des grossen Frauenfrieses waren mitsamt der Lehmunterlage herabge-
worfen worden; diese hatte sich z. T schon in der Erde aufgelöst und war nur noch
au der gelben Färbung zu erkennen, teils hielt sie bei der Herausnahme noch in
sich und mit dem Stuck zusammen, löste sich jedoch dann in der Luft auf (vgl. oben
S. 67). Sämtliche Tirynther Stuckfragmente zeigen auf ihrer Rückseite die Abdrücke
des Häcksels.

Entsprechend der Unregelmässigkeit der Bruchsteiumaueru war die Dicke^ der
Lehmschicht sehr verschieden. Wo einzelne Steine besonders weit hervorragten, bil-
dete sie, wie sich noch jetzt in Corridor XII feststellen lässt, eine ganz verschwin-

1 Vgl. Dörpfeld b. Schliemann, Tiryns 338. Für Knossos vgl. d. Aufsati von Noel Heaton, Journ. Inst. Brit.
Archit. 1911, 697 ff., auf den auch im Folgenden dauernd Bezug genommen wird.

2 Vgl. die kurze Geschichte der älteren kretischen Wandmalerei bei Heaton a. a. O.
 
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