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Unverzagt, Wilhelm
Die Keramik des Kastells Alzei — Materialien zur römisch-germanischen Keramik, Band 2: Frankfurt a. M., 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.43352#0023
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waren, wurden dadurch allmählich zur Abwanderung gezwungen1). Nun haben die Ausgra-
bungen von G. Chenet und Dr. Meunier in Les Allieux-Vauquois, Lavoye und
Avocourt, sowie Töpfereifunde aus Schützengräben bei Avocourt, die der Verfasser zu
prüfen Gelegenheit hatte, mit Sicherheit ergeben, daß der größte Teil der constantinischen und
noch späteren Sigillata dort hergestellt worden ist. An dieser Stelle muß wiederum auf die Be-
arbeitung der Rädchensigillata verwiesen werden, wo das gesamte Material vorgelegt und diese
Fragen eingehend erläutert werden sollen. Es darf vorerst die Annahme aufgestellt werden,
daß auf ihrer Rückwanderung nach dem Innern Galliens die Rheinzaberner Töpfer sich in
dem alten ostgallischen Sigillatazentrum 3) festgesetzt haben, von dem ja auch vom Anfang des
zweiten Jahrhunderts ab die oberrheinische Sigillataindustrie letzten Endes ihren Ausgang ge-
nommen hatte2). Wenn auch der Betrieb in diesen ostgallischen Manufakturen eine starke
Einbuße durch die Verdrängung vom rheinischen Markt seitens der Trierer und obergermanischen
Industrie erlitten haben wird, so ist er sicherlich nie ganz erloschen. Die Töpfer der Spätzeit
brauchten ihn also nur auszubauen, was sie offenbar in weitestem Maße getan haben, denn die
geschwächte Trierer Fabrikation der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts wird am Anfang
des vierten sehr bald von der ostgallischen überflügelt und auf gesogen. Es bleibt also die hoch-
bedeutsame Tatsache festzustellen, daß wie in der ersten und mittleren Kaiserzeit die Sigillata-
industrie sich mit dem römischen Vordringen Schritt um Schritt der Rheinlinie genähert hat,
sie in der Spätzeit wieder langsam auf den alten Etappen zurückwandert.
Die Sigillata der constantinischen Zeit zeigt nun mit einem Schlage
ein ganz neues Bild. Verschwunden sind die Kerbbandschüsseln und die plumpen entarteten
Formen mit dicker Wandung. In Alzei hat sich in ausgesprochenen Schichten der Spätzeit
nicht eine einzige Scherbe eines Kerbbandgefäßes gefunden, als letzter Überrest der wüsten
Formen nur ein Boden (Form Drag. 33 s. Abb. 5 no. 4), der eine ungewöhnliche Dicke aufweist,
während sich unter der Masse der übrigen nichts derartiges findet. Neue entscheidende Wen-
dungen sind um 300 n. Chr. eingetreten, die eine Nachblüte der Sigillata hervorgerufen haben.
Wie vorher bemerkt, werden nicht die Trierer, die in dieser Zeit ihre Bedeutung als Sigillata-
zentrum verlieren, sondern mehr im Innern der Belgica liegende Töpfereien als Fabrikationsorte
anzusehen sein. Lavoye, Les Allieux-Vauquois, Avocourt, einst blühende
Sigillatamanufakturen, treten noch einmal in den Vordergrund. Die Formen
zeigen durchweg einen gesunden Charakter und scheinen sich unter dem direkten Einfluß des
Metallgeschirres neugebildet zu haben, worauf die zahlreichen Rillen, Leisten und
Unterschneidungen hinweisen. Besonders gilt dies von dem rädchenverzierten Ser-
vice, das die Schüssel Typus 1, den Teller Typus 12 und die Tasse Typus 13 umfaßt.
Die Frage nach der Herkunft der Formen kann meist aus einem Vergleich mit
früheren Vorstufen entschieden werden, wobei allerdings die schon bemerkte Beeinflussung
durch das Metallgeschirr besonders hervorzuheben ist. Während im dritten Jahrhundert der
Einfluß des Metallgeschirres, dessen Kenntnis leider noch eine recht mangelhafte ist, bei der
Sigillata nicht in besonderem Maße hervortritt, ■— andere Techniken, vor allem die blühende
Glasindustrie stehen hier als beeinflussend im Vordergrund — scheinen sich die Formen gerade

*) Inwieweit hier auch politische und militärgeschichtliche Gründe, wie die erneute Verlegung der Zentral-
ziegeleien des obergermanischen Rheinheeres nach Rheinzabern in Betracht kommen, bedarf noch näherer Fest-
stellung. S. Ritterling, Röm.-germ. Korresp. Bl. IV (1911) S. 41.
2) Dies gilt unmittelbar für die Manufakturen von Bl ick weil er und vom Eschweilerhof,
aber auch mittelbar für Rheinzabern, das die Fortsetzung hauptsächlich der elsässischen Töpfereien (H e i -
ligenberg, Ittenweileru. a.) bildet. Eine andere wichtige Abzweigung des ostgallischen Zentrums, das in
der Spätzeit wieder alle Tochtergründungen an sich zieht, bildet Trier, von wo aus Niedergermanien und ein
Teil des Limesgebietes versorgt werden.
3) Es sei hier auf die unten S. 22 bemerkte Möglichkeit aufmerksam gemacht, daß bei der Auflösung der
Rheinzaberner Töpfereien ein Teil ihrer Besitzer auch nach W o r m s übergesiedelt sein kann, wo in der zweiten
Hälfte des 3. Jahrh. eine beachtenswerte Industrie für Rotfirnisware aufzublühen beginnt.
 
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