Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Unverzagt, Wilhelm
Die Keramik des Kastells Alzei — Materialien zur römisch-germanischen Keramik, Band 2: Frankfurt a. M., 1916

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43352#0022
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
I. Terra sigillata.
Bei der verhältnismäßig beschränkten Zahl der keramischen Überreste aus Alzei über-
haupt können die folgenden Ausführungen keinen Anspruch auf eine allgemeine Behandlung
der späten Sigillata machen, es sind nur einzelne Züge hervorgehoben. Eingehender wird die
Entwicklung dieser Gattung demnächst bei meiner ausführlichen Behandlung der rädchen-
verzierten Sigillata dargelegt werden.
Die Sigillata scheint am Anfang des vierten Jahrhunderts unter dem Einfluß der
diocletianisch-constantinischen Grenzsicherung, der Verlegung eines Hauptschwerpunktes der
Reichsverwaltung nach dem Norden Galliens und dem dadurch bedingten Einströmen neuer
Kultureinflüsse vor allem aus dem Osten einen gewissen Aufschwung genommen zu haben,
während in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts ein bedeutender Tiefstand in der Ent-
wicklung dieser Gattung zu verzeichnen ist. Noch in der Keramik von Niederbieber fällt der
bedeutende Formenreichtum des Sigillatageschirres auf. Bald nach Aufgabe des Limes aber
trifft diese Industrie durch Beraubung eines großen Absatzgebietes ein schwerer Schlag, der zu
einer völligenEin Stellung des Betriebes in den. Sigillatatöpfereien von Rhein-
zabern und einer ausschlaggebenden Schwächung der Trierer Manu-
fakturen führt, wobei sich diese Werkstätten länger gehalten zu haben scheinen als Rhein-
zabern. Ihre Lage mehr im Innern, sowie die Möglichkeit weiteren Absatzes besonders in Nieder-
germanien, sind die wesentlichen Bedingungen dafür. Aber auch hier ist der Niedergang in dem
Verschwinden des Formenreichtums, sowie der Reliefkumpen Drag. 37 deutlich zu erkennen.
Bestimmt wird diese Zeit des Tiefstandes, soweit sich das bis jetzt erkennen läßt, einmal
durch das Vorwiegen der Kumpen und Näpfe mit Zahnradornamentik (Kerbbanddekor)
und zweitens durch eine ungeheure Verrohung im Profil, die schließlich Gefäße mit
3—4 cm dicken Böden und plumper Wandung hervorbringt. An dem Kerbbandnapf Nieder-
bieber Typus 15/16 und der Tassenform Drag. 33 läßt sich diese Erscheinung besonders deutlich
erkennen. Schon in Niederbieber finden sich, offenbar der spätesten Zeit des Kastells ange-
hörend, vier Näpfe dieser Art (Typus 15), ebenso ist hier die halbkugelige Schüssel mit Kerb-
banddekor ziemlich schwach vertreten. Die Reliefkumpen der Form Drag. 37 herrschen unter
den Sigillatakumpen durchaus. Erst mit dem Verschwinden dieser Form gewinnen die Kerb-
bandnäpfe die Oberhand. Sie können da, wo sie ohne nennenswerte Reste von Bilderschüsseln
auf treten, als charakteristisch für die zweite Hälfte des drittenjahrhundertsangesehen werden.
In dieser Zeit des Niedergangs der Sigillataindustrie, der mit einer Periode vielfacher
politischer und sozialer Wirren zusammenfällt, findet ein bemerkenswerter Wechsel in dem
F abrikationszentrum statt, der wesentlich zu dem Aufschwung dieses Geschirres
am Anfang des vierten Jahrhunderts beigetragen hat. Rheinzabern, bisher ein Hauptlieferant für
Sigillataware im Rheingebiet, mußte den Betrieb allmählich einstellen, da es durch die Aufgabe
des rechten Rheinufers um ein reiches Absatzgebiet gebracht wurde. Die Rheinzaberner
Töpfer, deren Werkstätten nun in die unmittelbare Nähe des Feindes hart an die Grenze gerückt
 
Annotationen