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Dieser epische, sittenbildliche, patriarchalische Stoff
muß dem Sinn Giotto's wie gerufen gekommen sein. Er
war ja vor Allem dazu angethan, die ersten Menschen und
ersten Lebensregungen, die grundlegenden Arbeiten darzu-
stellen. Der in junger, ungewohnter Lust vorüberstürmende
Reiter, die dumpf staunenden Männer, welche zum ersten
Mal in's unendliche Meer hinausrudern, der zum Himmel
spähende Astronom, das sind Erscheinungen, wie sie in so
erdfrischer Ursprünglichkeit Jahrhunderte vor Giotto nicht
mehr und nach ihm nie wieder geschaffen wurden. Noch
einmal erblicken wir hier — wenn auch in ungleich roherer
Form von karg entwickelter Kunstfertigkeit — gattungs-
mäßige, im Ewigen ruhende Typen, wie sie sonst nur in
alt hellenischer Kunst zu finden sind. — — Und so erinnern
wir uns an ein Wort Ghiberti's über Giotto's Schüler:
„Viele waren kunstgerecht gleich den alten Griechen."
Ghiberti freilich rühmt mit diefer konventionellen Ver-
gleichung nur ihre Geschicklichkeit. Doch dürfen wir das-
selbe über den Geist ihrer Kunst behaupten und von Giotto
sowohl wie von Andrea Pisano * sagen:
Er war ein geistiger Nachkomme der alten Griechen
wie der apostolischen Glaubensbegründer. Er vereinigt
naturvolle, antikem Wesen verwandte Menschlichkeit und
Objektivität mit dem strengen, starken, thatkräftigen Ethos
des Urchristenthums.
' So spricht „der Cicerone" (I. Burckhardt und W. Bode,
4. Aufl., S. 312) von dem „griechisch gemahnenden Hochreliefstil" Andrea's.
 
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