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wir sehen die rieselnden Rinnsale, die tanzenden Wellen-
stürze, sehen unten im Thal den lieblichen Bach und fern
den feierlichen Strom, wie er durch die Länder wallt und
endlich eingeht in's weltweite Meer. Stumm hiugegeben
glauben wir um so inniger zu erfassen. Nur dem Dichter
mag ein Gott verliehen haben, zu sagen, was es unA
bedeutet. —
Doch dieß sind Gefühlshemmnisse, welchen die Wissen-
schaft nicht nachgeben darf, denn je dunkler ein Problem,
desto wichtiger erscheint ihr auch das Erforderniß seiner
Lösung. Heutzutage freilich sind die Augen der Kunst-
forschung zumeist bestimmt vom allgemeinen Zuge der Zeit,
d. h. abgelenkt von ästhetischer Kritik und vornehmlich auf
die Einzelheiten in Raphaels Leben und Schaffen gerichtet
zum Behuf einer exakten Feststellung ihres Zusammenhanges
und ihrer äußeren Bezüge. Dieß verlangt weitschichtige
Studien, wachsamste Verarbeitung alles sachlichen Getheils
und wie erheblich die Erfolge dieser Bemühung sind, lehren
die hervorragenden Arbeiten von H. Grimm, I. C. Robinson,
C. Ruland, E. Münz, Iwan Lermolieff, A. Springer, H.
Hettner, Henri de Geymüller, Crowe-Cavalcaselle u. a.
Kein Wunder, daß hiebei den Meisten die Frage nach dem
Logos und Pneuma in Raphael's Kunst fast ganz abhanden
kommt über den Fragen nach seinen Werken, deren Genesis,
Inhalt und Technik nun pünktlicher und systematischer unter-
sucht wird als jemals; kein Wunder, daß sie den zentralen
Geist im Umkreis seiner Leistungen, den inneren Raphael
Raphaels nur nebenher mit flüchtigen Streiflichtern in's Ge-
dächtniß rufen. Sehr im Gegensatz zur Tendenz früherer
 
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