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Man hatte mir besonders die Waffen, die Goldschmiede-
arbeiten und andere Werke der Zierkunst gerühmt, doch auch
in der Galerie sand ich manches Meisterhafte und Interessante,
zumal in dem reichen Vorrath von niederländischen Gemäl-
den. — Wie war ich aber erstaunt, als ich in den vierten
Saal trat und, die Bilder mit einem ersten Blick überfliegend,
plötzlich einem alten Bekannten aus Italien gegenüberstand!
— Ein markiger, ganz deutsch aussehender Kopf, mit festen
blauen Augen, blondem Haar, pelzverbrämtem Rock und
schwarzem Barett, sah mir wie grüßend entgegen. Wohl
sand ich im Katalog (unter Nummer 526) den mir gleich-
falls vertrauten Peruginer Pinturicchio als Autor dieses
Brustbildes „eines jungen Mannes" angegeben. Aber meine
Erinnerung an den alten Freund und Liebling aus Cortona,
der mich vor Jahren so mächtig fesselte, daß ich ein ganzes
Buch über ihn schrieb, war zu hell, als daß ich durch diese
sehltreffende Deutung hätte beirrt werden können. Nein,
dieß ist ein ächtes, nur leider theilweise geschädigtes Selb st -
Porträt von LucaSignorelli, dem kraftvollen Meister
des jüngsten Gerichts im Dom zu Orvieto, dem stattlichen
Herold Raphael's und Michelangelo's! „II Oortons86 Imoa.
ä'inAtzAno 6 spirito xsIIsArino« nennt ihn Giovanni Santi,
der Vater Raphael's, in seiner Reimchronik. Und ein lebens-
volles Abbild dieses „seltenen Geistes", eine „Materialisa-
tion" seiner abgeschiedenen Persönlichkeit im guten, einzig
wahrhaften Sinne leuchtet also noch in unserem traulichen
Gotha, geheimnißvoll und doch so menschlich nah, als ob er
aus seinem Schein heraustreten und uns ansprechen möchte.
Kein anderer ist's als Luca, ganz sein Ich, wie wir es
 
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