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Volkmann, Ludwig
Bilderschriften der Renaissance: Hieroglyphik und Emblematik in ihren Beziehungen und Fortwirkungen — Leipzig: Verlag von Karl W. Hiersemann, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.59562#0014
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Die Hieroglyphik der italienischen Humanisten.

Wie in der Literatur und Kunst der Renaissance im allgemeinen, so ist auch auf unserem Sondergebiet
Italien das bahnbrechende und voranschreitende Land gewesen. Es war selbstverständlich, daß die
Gelehrten, die mit wahrem Feuereifer alle antiken Schriftsteller wieder aufzufinden, zu vergleichen, ergänzen,
übersetzen und herauszugeben trachteten, dabei nicht an den zahlreichen Stellen vorübergehen konnten,
in denen — vom 5. Jahrh. v. Chr. bis zum 5. Jahrh. n. Chr, —- über das alte Wunderland Ägypten und
seine geheimnisvollen heiligen Schriften berichtet wurde. Nur das, was sie der klassischen Literatur
entnehmen konnten, vermochte ihnen ja über die rätselhaften Zeichen einigen Aufschluß zu geben, die
sie an den wiedergefundenen Obelisken und anderen Bildwerken staunend erblickten,- hierin lag also
das Maß und die Möglichkeit ihrer Erkenntnis dieser Dinge allein beschlossen, und da diese tlber-
lieferung durchaus einseitig und lückenhaft war, andrerseits aber jeder antike Autor ohne weiteres als
unantastbare Autorität betrachtet wurde, so mußte sich allmählich in ihrer Vorstellung ein fest um-
rissenes Bild vom Wesen und der Bedeutung der Hieroglyphen ergeben, das zwar von der Wirklich-
keit sehr erheblich abwich, aber dennoch eine gewaltige suggestive Kraft besaß, zumal da auch die
mittelalterliche Tradition Ägypten stets als eine Urheimat tiefster Gelehrsamkeit und mystischer Weis-
heit betrachtet hatte. Giehlow hat die Geschichte dieser Studien und Wiederentdeckungen so aus-
führlich und scharfsinnig geschildert, daß hier nur kurz darauf hingewiesen zu werden braucht*/ Da
war die schon von Isidor von Sevilla benutzte kurze Notiz des Herodot <Buch II>, daß die Ägypter,
die von rechts nach links schrieben, zweierlei Schrift besäßen: eine heilige und eine gemeine,- und
ebendort die bekannte Nachricht über die Pyramide des Cheops, an welcher mit ägyptischen Schriften
aufgezeichnet stand, wieviel zu Rettichen, Zwiebeln und Knoblauch für die Arbeiter gebraucht worden
sei, nämlich nach der Versicherung des schriftkundigen Dolmetschers 1600 Silbertalente, sowie die Wieder-
gabe einer Inschrift an der Ziegelpyramide des Asychis: »Schätze mich nicht gering neben den stei-
nernen Pyramiden,- denn ich übertreffe sie so sehr, wie Zeus die anderen Götter« usw. Da war ferner
die Bemerkung Platos im Phädrus über^den ägyptischen Theuth, der ihm auf einer Reise in Nau-
kratis als Erfinder der Buchstaben gepriesen und später mit dem Hermes Trismegistos identifiziert wurde,-
die sogenannten hermetischen Bücher wurden so auf uralte ägyptische Priesterweisheit zurückgeführt,,
und auch die griechischen Philosophen, wie Plato und Pythagoras, sollten aus ägyptischen Quellen ihre
tiefsten Gedanken geschöpft haben. Trefflich paßten zu dieser Auffassung die weiteren Mitteilungen
Platos über diesen Theuth im Philebus, daß $r nämlich aus der Mannigfaltigkeit der Stimmlaute zunächst
die Vokale, dann die »mittleren« Laute <Sönanten> und endlich die »stummen« <Konsonanten> heraus-
griff und für sie ein bestimmtes »Zahlenband« <deo;img> errechnete, das sie einheitlich zu einer »Buch-
*) Vgl. hierzu auch die kurzen, treffenden Bemerkungen von H. Bonnet, Ägypt. Schrifttum, S.45/16, und die be-
kannten Werke von H. Brugsch und A. Erman, sowie des letzteren Akademierede 1922.
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