Art, die »Ars memorandi notabilis per figuras evangelistarum«, wurde 1502 von Georg Simler, einem
Schüler Reuchlins, neu herausgegeben. Darin stehen nun etwa drei Kronen für die Anbetung der Könige,
drei Salbgefäße für die Frauen am Grabe, Geldbeutel für die Austreibung der Wechsler, und ein Herz
auf einer Truhe bedeutet unmittelbar den Satz: Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz — also
geradezu eine hieroglyphische Bilderschrift*>• Zweifellos ist Geltes für die Verbreitung dieser - bildlich-
allegorischen Auffassung im Kreise der deutschen Humanisten von besonderer Bedeutung gewesen.
Der von ihm 1491 in Mainz begründeten Rheinischen literarischen Sodalität gehörten außer
Reuchlin noch eine Reihe von Gelehrten an, die sämtlich der Hieroglyphenkunde nicht fremd waren,
wie Joh. Tritheim, Joh. Stabius, Konrad Peutinger und Wilibald Pirkheimer. Auch in diesem
Kreise nun spielt vor allem der Horapollo eine wichtige Rolle, und es ist kein Zufall, daß die
schon mehrfach erwähnte lateinische Übersetzung der Hieroglyphica von Bernhard Trebatius aus
Vicenza, die 1515 bei H. Frohen in Basel erschien (spätere Ausgaben Paris 1521 und 1530, Basel 1534,
Venedig 1538), gerade dem Peutinger gewidmet wurde. Trebatius hatte damals bei dem Augsburger
Stadtschreiber und kaiserlichen Rat, der in Padua studiert hatte und viele Beziehungen zu Italien unter-
hielt, gastliche Aufnahme gefunden, und natürlich haben die beiden dabei in stetem Gedankenaustausch
über das Werk und seine geheimnisvollen Schriftzeichen gestanden. Bei dem geradezu freundschaft-
lichen Vertrauen aber, das Peutinger beim Kaiser genoß, konnte es nicht ausbleiben, daß er diesem über
die seltsamen Dinge berichtete und auch seine Teilnahme dafür weckte**>. Begegneten sie sich doch
schon in dem gemeinsamen Interesse für Münzkunde, die mannigfach in die Hieroglyphik hereinspielt,
ebenso wie die Heraldik. Als bei einer Ausgrabung eine Silbermünze mit der Darstellung eines Her-
kules gefunden wurde, hielt Maximilian dieselbe für eine Münze des sagenhaften Hercules Aegyp-
tius, und da er an Hand der Phantasien des Annius von Viterbo <s. oben> gern seinen Stammbaum
auf Osiris und dessen Sohn Hercules Aegyptius zurückführen wollte, forderte er von Peutinger ein
Gutachten über die Münze, in der er eine Bestätigung dieser Abstammung erblickte. Das Gutachten
ist im Cod. 3344 der Wiener Hofbibliothek noch erhalten, Peutinger sieht auch in dem Münzbilde nach
Annius den Hercules Aegyptius, ohne jedoch zu glauben, daß die Münze von diesem selbst geprägt
sei. So war den beiden denn auch die Freude an der Emblematik gemeinsam, und wenn Andrea
Alciati die erste gedruckte Ausgabe seiner Emblemata gerade bei einem Augsburger Verleger heraus-
brachte, so beweist schon die poetische Zueignung auch dieses Werkes an Peutinger, auf wessen Ein-
fluß dies zurückzuführen war, und welche Schätzung das Buch bei dem Vertrauten des Kaisers genoß.
Im Tone herzlicher Freundschaft für Peutinger und zugleich unter Anspielung auf die Förderung
seiner Liebhabereien durch den kaiserlichen Herrn lautet der Schluß der schon oben zitierten Widmung:
Dir nun schenke der mächtige Kaiser die wertvollsten Münzen,
Geb7 aus dem Altertum auch köstliche Handschriften Dir,-
Ich aber reiche als Dichter dem Dichter papierene Gabe,
Nimm sie, mein Konrad, als Pfand hier meiner Liebe denn hin! —
Auf seine Münzliebhaberei deutet der Kaiser selbst im »Weißkunig« hin, wo er von dem jungen
König sagt, er ließe »alle münz, so die Kaiser, Kunig und andre mechtig Herrn vor Zeiten geschlagen
haben und die funden und ime zugebracht worden seien, behalten und in ain puech malen«. Die
Rätselsprache des Weißkunig aber ist von Emblematik durchsetzt, wie denn z. B. der Herzog von
Mailand »der König vom Wurm« genannt wird, nach seinem auch von Alciati erwähnten Schlangen-
wappen, der Herzog von Cleve »der König vom Schwan«, der Herzog von Burgund »der Herzog vom
Feuereisen«, oder der Venezianische Doge »der König vom Fisch«, nicht anders, als wenn Ludwig XII.
nach seiner Impresa im Volksmunde »König Stachelschwein« hieß <Bargagli>. Ja, in dem Kapitel, in
welchem berichtet wird, daß der junge König die Malkunst erlernte, deutet er an, daß er dadurch
manchen Vorteil im Kriege gehabt habe, den er nicht näher sagen könne, was vielleicht auf eine
*> Soeben wird eine Reproduktion des alten Druckes von Anton Sorg in Augsburg (um 1490) angekündigt: Die Ge-
dächtniskunst, zu latein genannt Ars memorativa. 65 Holzschnitte. (Augsburg ■= Stuttgart ipzz, Dr. Benno Filser Verlag.)
**> Vgl. K. Herberger, Conrad Peutinger in seinem Verhältnis zu Kaiser Maximilian. Augsburg 1851.
11 Volk mann, Bilderschriften der Renaissance.
8l
Schüler Reuchlins, neu herausgegeben. Darin stehen nun etwa drei Kronen für die Anbetung der Könige,
drei Salbgefäße für die Frauen am Grabe, Geldbeutel für die Austreibung der Wechsler, und ein Herz
auf einer Truhe bedeutet unmittelbar den Satz: Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz — also
geradezu eine hieroglyphische Bilderschrift*>• Zweifellos ist Geltes für die Verbreitung dieser - bildlich-
allegorischen Auffassung im Kreise der deutschen Humanisten von besonderer Bedeutung gewesen.
Der von ihm 1491 in Mainz begründeten Rheinischen literarischen Sodalität gehörten außer
Reuchlin noch eine Reihe von Gelehrten an, die sämtlich der Hieroglyphenkunde nicht fremd waren,
wie Joh. Tritheim, Joh. Stabius, Konrad Peutinger und Wilibald Pirkheimer. Auch in diesem
Kreise nun spielt vor allem der Horapollo eine wichtige Rolle, und es ist kein Zufall, daß die
schon mehrfach erwähnte lateinische Übersetzung der Hieroglyphica von Bernhard Trebatius aus
Vicenza, die 1515 bei H. Frohen in Basel erschien (spätere Ausgaben Paris 1521 und 1530, Basel 1534,
Venedig 1538), gerade dem Peutinger gewidmet wurde. Trebatius hatte damals bei dem Augsburger
Stadtschreiber und kaiserlichen Rat, der in Padua studiert hatte und viele Beziehungen zu Italien unter-
hielt, gastliche Aufnahme gefunden, und natürlich haben die beiden dabei in stetem Gedankenaustausch
über das Werk und seine geheimnisvollen Schriftzeichen gestanden. Bei dem geradezu freundschaft-
lichen Vertrauen aber, das Peutinger beim Kaiser genoß, konnte es nicht ausbleiben, daß er diesem über
die seltsamen Dinge berichtete und auch seine Teilnahme dafür weckte**>. Begegneten sie sich doch
schon in dem gemeinsamen Interesse für Münzkunde, die mannigfach in die Hieroglyphik hereinspielt,
ebenso wie die Heraldik. Als bei einer Ausgrabung eine Silbermünze mit der Darstellung eines Her-
kules gefunden wurde, hielt Maximilian dieselbe für eine Münze des sagenhaften Hercules Aegyp-
tius, und da er an Hand der Phantasien des Annius von Viterbo <s. oben> gern seinen Stammbaum
auf Osiris und dessen Sohn Hercules Aegyptius zurückführen wollte, forderte er von Peutinger ein
Gutachten über die Münze, in der er eine Bestätigung dieser Abstammung erblickte. Das Gutachten
ist im Cod. 3344 der Wiener Hofbibliothek noch erhalten, Peutinger sieht auch in dem Münzbilde nach
Annius den Hercules Aegyptius, ohne jedoch zu glauben, daß die Münze von diesem selbst geprägt
sei. So war den beiden denn auch die Freude an der Emblematik gemeinsam, und wenn Andrea
Alciati die erste gedruckte Ausgabe seiner Emblemata gerade bei einem Augsburger Verleger heraus-
brachte, so beweist schon die poetische Zueignung auch dieses Werkes an Peutinger, auf wessen Ein-
fluß dies zurückzuführen war, und welche Schätzung das Buch bei dem Vertrauten des Kaisers genoß.
Im Tone herzlicher Freundschaft für Peutinger und zugleich unter Anspielung auf die Förderung
seiner Liebhabereien durch den kaiserlichen Herrn lautet der Schluß der schon oben zitierten Widmung:
Dir nun schenke der mächtige Kaiser die wertvollsten Münzen,
Geb7 aus dem Altertum auch köstliche Handschriften Dir,-
Ich aber reiche als Dichter dem Dichter papierene Gabe,
Nimm sie, mein Konrad, als Pfand hier meiner Liebe denn hin! —
Auf seine Münzliebhaberei deutet der Kaiser selbst im »Weißkunig« hin, wo er von dem jungen
König sagt, er ließe »alle münz, so die Kaiser, Kunig und andre mechtig Herrn vor Zeiten geschlagen
haben und die funden und ime zugebracht worden seien, behalten und in ain puech malen«. Die
Rätselsprache des Weißkunig aber ist von Emblematik durchsetzt, wie denn z. B. der Herzog von
Mailand »der König vom Wurm« genannt wird, nach seinem auch von Alciati erwähnten Schlangen-
wappen, der Herzog von Cleve »der König vom Schwan«, der Herzog von Burgund »der Herzog vom
Feuereisen«, oder der Venezianische Doge »der König vom Fisch«, nicht anders, als wenn Ludwig XII.
nach seiner Impresa im Volksmunde »König Stachelschwein« hieß <Bargagli>. Ja, in dem Kapitel, in
welchem berichtet wird, daß der junge König die Malkunst erlernte, deutet er an, daß er dadurch
manchen Vorteil im Kriege gehabt habe, den er nicht näher sagen könne, was vielleicht auf eine
*> Soeben wird eine Reproduktion des alten Druckes von Anton Sorg in Augsburg (um 1490) angekündigt: Die Ge-
dächtniskunst, zu latein genannt Ars memorativa. 65 Holzschnitte. (Augsburg ■= Stuttgart ipzz, Dr. Benno Filser Verlag.)
**> Vgl. K. Herberger, Conrad Peutinger in seinem Verhältnis zu Kaiser Maximilian. Augsburg 1851.
11 Volk mann, Bilderschriften der Renaissance.
8l