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Waagen, Gustav Friedrich
Die vornehmsten Kunstdenkmäler in Wien (2. Teil): Manuscripte mit Miniaturen, Handzeichnungen und Kupferstiche in der K.K. Hofbibliothek und Privatsammlungen: K.K. Ambraser-Sammlung, K.K. Münz- und Antiken-Cabinet, Kaiserl. Schatzkammer, K.K. Museum für Kunst und Industrie — Wien: Wilhelm Braumüller, K.K. Hof- und Universitätsbuchhhändler, 1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.68162#0010

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unermesslichen Zahl von Miniaturen gilt dieses aber nur von sol-
chen, welche für weltliche und geistliche Fürsten, reiche Klöster und
reiche Privatpersonen ausgeführt, von Malern herrühren, welche auf
der vollen Kunsthöhe ihrer Zeit stehen. Mit Recht darf man daher
annehmen, dass dasselbe Verhältniss solcher Art von Miniaturen zu
den Malereien in grösserem Massstabe für die früheren Epochen
stattfindet, in welchen uns letztere fehlen; wie denn diese Annahme
auch in einzelnen Fällen durch das Vorhandensein von Heber-
resten von Malereien von grösserem Umfange bestätigt wird. Aber
auch ganz abgesehen von der Beziehung zu jenen grösseren Male-
reien haben die Miniaturen für sich eine grosse kunstgeschichtliche
Bedeutung. Nur in den Miniaturen sind nämlich die weitläuftigen,
künstlerischen Ideenkreise, welche für das Mittelalter so eigenthüm-
lich sind, zur vollständigen Ausbildung gelangt. Solche sind vor
Allem die verschiedenen Folgen symbolischer und sinnbildlicher
Folgen, durch welche die Geistlichkeit auf den religiösen Sinn
der Völker einzuwirken bemüht war, jene Bilderbibeln, worin der
Inhalt des alten und neuen Testaments auf das Mannigfaltigste auf
einander bezogen wird, jene Heilsspiegel (specula humanae salva-
tionis), jene Kunst zu sterben (ars moriendi), jene Armenbibeln,
von denen die unter den obigen Namen bekannten Folgen von Holz-
schnitten (blockbooks) im 15. Jahrhundert nur die letzten, mehr
oder minder zusammengezogenen Auszüge sind. Zunächst kommen
weltliche Vorstellungen in Betracht, wie sie die Bilder, welche die
Beschäftigungen der verschiedenen Monate des Kalenders, die Ritter-
romane und Rittergedichte, so wie die Uebersetzungen classischer
Schriftsteller darbieten. Diesen schliessen sich mannigfaltige allego-
rische Vorstellungen an. Viele andere Darstellungen zeigen endlich
in reicher Fülle die Erfindungen eines phantastischen und ergötz-
lichen Humors. Bei der realistischen Richtung des Mittelalters,
Alles in den gleichzeitigen Lebensformen darzustellen , sind die
Miniaturen natürlich endlich die Hauptquelle, um alle Zustände
des Lebens in Krieg und Frieden, Waffen, Trachten u. s. w.
kennen zu lernen. Für Ornamente enthalten endlich die Initialen,
wie die Verzierungen der Ränder für Form und Farbe einen
erstaunlichen Reichthum der eigenthtimlichsten, schönsten und
geschmackvollsten Erfindungen. Da ich, bei dieser vielseitigen
Wichtigkeit der Miniaturen, seit dreissig Jahren mit den Studien
für eine Geschichte der Miniaturmalerei im Mittelalter beschäftigt,
das Vorzüglichste gesehen habe, was sich von der Art in den
Hauptbibliotheken Italiens, Frankreichs, Englands, Belgiens, Hol-
lands und Deutschlands befindet, so sehe ich mich im Stande
Zeugniss zu geben, dass die in der k. k. Bibliothek vorhandenen
 
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