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Wahle, Ernst
Vorzeit am Oberrhein — Heidelberg, 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.13757#0024
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16

Die Urzeit

Wie weit die heutigen Anwohner des Oberrheins, sofern sie von nordischer
Leibesform sind, umnittelbar anf jene altsteinzeitlichen Besiedler des glei-
chen Naumes zurückgehen, können wir im Hinblick auf die vielen Völker-
wanderungen der späteren Zeit natürlich nicht sagen, denn diese haben
wiederholt nordische Menschen auch nnserem Gebiete zugeführt. Aber noch
eine andere Frage müssen wir offen lassen. Das heutige anthropologische
Merkmal der nordalpinen Zone und damit auch eines Teiles unseres Ober-
rheingebietes ist ein ansehnlicherHundertsatz kurzschädeliger Menschen von
dunklerer Haar- und Angenfarbe. Jn dem frühen Mesolithikum der Ofnet
und anderer mittel- wie westeuropäischer Fundorte begegnen uns die
Kurzschädel zum ersten Male, und es liegt nahe, das Bild der Gegenwart
auf diese Zeit zurückznführen. Dies würde bedeuten, daß sich trotz allen
Zustroms nordischen Blutes das im Mesolithikum entstandene Nebenein-
ander von Lang- und Kurzschädeln, das sich übrigens sofort auch in Misch-
formen äußert, im wesentlichen unverändert erhalten habe. Aber es ist
schwer, für eine solche Schlußfolgernng einzutreten. Was nützt uns der
reiche Stoff aus der Ofnet, wenn wir anderwärts auf Tausende von Qua-
dratkilometern vergeblich nach gleichalten Menschenresten suchen, wir also
nicht sagen können, für welche räumlichen Grenzen dieses eine Fundbild
Gülügkeit hat. AnchimNorden, im heutigenKerngebietdes langschädeligen,
hellfarbigen Menschen, kommen schon im Mesolithikum Kurzköpfe vor, und
ihr Anteil an der Bevölkerung ist dort größer, als man gewöhnlich annimmt.

So bleibt also nur eine Möglichkeit, welche der weiteren Beobachtung
bedarf. Und wenn der Mensch, welcher in der Urzeit im Oberrheingebiet
siedelt, natürlich das Jnteresse des Geschichtsforschers findet, so hat dieser
anderseits doch festzustellen, daß irgendein Weiterleben dieser Urzeit in die
folgenden Abschnitte der oberrheinischen Entwicklung hinein nicht nachweis-
bar ist. Die geschichtliche Wirksamkeit der Urkultur findet nirgends in räum-
lichen Grenzen oder in örtlichen Zuständen ihren Ausdruck, denn diese Ge-
sittung ist zu wenig mit dem Boden verbunden.
 
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