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Wahle, Ernst
Vorzeit am Oberrhein — Heidelberg, 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.13757#0034
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26

Die Bauernvölker der jüngeren Steinzeit

irgendwelcher Pfahlstellungen gibt ja den letzteren noch kein steinzeitliches
Alter. Als eine Eigentümlichkeit der stehenden Gewässer des Alpenvor-
landes haben die Pfahlbauten ihre Parallelen in Übersee, wo ihr Vor-
kommen sich auf kleine Seen und Buchten, also auf stillstehendes Wasser
beschrankt. Diese Bauweise ist demnach zunächst einmal aus dem Seen-
reichtum des genannten Landes heraus geschaffen, wozu sich noch andere,
uns weniger bekannte Umstände gesellen. Man denkt an Schutzbedürfnis
und an dichte Bewaldung des Gebietes, welche den Menschen auf das
offene Wasser wiesen. Nachdem diese Wohnweise einmal fester Besitz eines
Volkes geworden war, wurde sie gelegentlich vom Wasser auch auf Moor-
flächen übertragen; so sind wohl die vor dem Rande des Pfahlbautenge-
bietes gelegenen Packwerkbauten (Abb. 3) entstanden, die man, zu Dörfern
vergesellschaftet, in Weiher bei Thaingen und insbesondere im Federseeried
ausgegraben hat. Wie in dem Raum zwischen Genf und dem Bodensee die
Pfahlbaukultur geworden ist, wissen wir noch nicht. Wir sind insbesondere
noch nicht so weit, irgendeine Keimzelle nachzuweisen und ihr Wachstum
zu verfolgen. Als das einzige in der Richtung dieser Fragestellung laufende
Ergebnis der bisherigen Forschung muß die Scheidung der Pfahlbauten-
funde in ältere und jüngere Formen genannt werden, die in der Beobach-
tung des Übereinanderliegens mehrerer Wohnschichten an ein und dem-
selben Platz eine sehr wichtige Stütze hat. Freilich ist für den Augenblick
damit nur ein Anfang gewonnen, und mit der Feststellung, daß die aus der
Schweiz bekannt gewordenen „Pfahlbauschädel" zu 40tzL langschädelig,
zu 38°/o kurzschädelig sind, können wir nicht viel machen. Denn ganz abge-
sehen davon, daß es sich hier um ein Material handelt, das aus sehr verschie-
dene Art in die Fundschicht gelangt sein mag, unter Siedelungsabfällen
sich fremd ausmacht und gar nicht in jedem Fall jungsteinzeitlich sein muß,
halten hier die beiden größten Gegensätze, die es in anthropologischer Hin-
sicht im vorgeschichtlichen Mitteleuropa gibt, einander annähernd die
Waage. Dazu kommt, daß insgesamt überhaupt nur 42 meßbare Schädel
vorliegen, während die Zahl der Psahlbauten wesentlich größer ist. Da
nur die Schädel allein vorhanden sind und keine größeren zusammenhän-
genden Teile der Skelette, bleibt auch die Frage nach dem Verbleib der
Kleinwüchsigen unbeantwortet. Endlich aber muß festgestellt werden, daß
wir die von Westen her erfolgende Einwanderung der Zellkerne, aus wel-
chen der Pfahlbaukreis wird, in anthropologischer Hinsicht noch keineswegs
wahrscheinlich machen können. Sind die Langschädeligen die Nachkommen
vorwiegend der Zuwanderer? Und treten in den kurzschädeligen Gestalten
 
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