Walden, Herwarth [Hrsg.]: Einblick in Kunst: Expressionismus, Futurismus, Kubismus (Berlin, 1924)

Die Gegner der Kunst behaupten, daß alle Künstler dasselbe wollten. Sie
wollten es wohl, versuchten es aber mit kunstfremden Mitteln. Gewiß, jede Kunst
begann einmal mit der Nachahmung. Nur daß die Naturalisten vergangener Jahrs
hunderte künstlerischer nachahmten. Sie bildeten nämlich wie die Kinder das nach, was
sie wirklich sahen, und nidit das, was sie wußten. Das Ziel jedes Künstlers ist aber Vers
einfachung und Verinnerlichung. Mit andern Worten: Das Nachgeahmte, also das
Gegenständliche in der Malerei, ist nicht Zweck, sondern Mittel. Es ist aber nicht das
einzige Mittel. Und die Künstler früherer Zeiten, die wirklich Künstler waren, haben das
Gegenständliche nie des Gegenständlichen wegen gemalt. Es war für sie nur ein Eie*
ment dessen, was man eben Bild nennt. Und es hat große Künstler gegeben, deren
Namen nie bekannt und genannt wurden, die bedeutendere Bilder schufen, als
berühmte Kunstmaler. Die sogenannte Volkskunst ist weitaus bildhafter als das meiste,
was die Museen als Bilder zeigen. Die oberbayerischen Bauernmaler etwa haben mit
ihren Glasbildern, die Neger und Südseeinsulaner mit ihren Plastiken Kunstwerke ge-
schaffen. Das Volk und das Kind sieht. Der Gebildete sieht nur noch das Ideal, das nidit
zu sehen ist. Sein Ideal ist seine Erfahrung. Die Kunst hat kein Ideal. Die Kunst ist.

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