II.
Die nackten Flügelkinder in der Zeit
vor Donatello im XIV. und Anfang des
XV. Jahrhunderts.
Nachdem der antike Amor im Verlaufe des Mittelalters
für Kunst und Poesie fast gar keine Bedeutung mehr ge-
habt hatte, verlieh Dante demselben in der «Vita Nuova» zuerst
wieder persönliche Gestalt. Denn während zu Beginn des
14. Jahrhunderts Staaten und Städte Italiens politisch zersplittert
und von Parteiungen zerrissen waren, erblühte mitten in diesen
trostlosen Wirren ein neues Leben in Wissenschaft, Poesie und
Kunst. Und Dante war es ja vorzugsweise, der einerseits da-
durch, dass er seine «Vita Nuova» und «Divina Comedia» in
italienischer Sprache schrieb, als der erste seinem Vaterlande
eine nationale Schriftsprache verlieh, andererseits seine eingehende
Kenntnis der römischen Schriftsteller verwertend, seine dem
Inhalte nach auf die Zeitverhältnisse Bezug nehmenden Dichtungen
mit klassischer Form und klassischem Geiste belebte. Und so
war, wie gesagt, Dante es auch, der als der erste seit dem
Altertum wieder als persönliche, bedeutungsvolle Gestalt den
jugendlichen Amor in seine Dichtungen verflocht. Aber noch
nicht sind es die leichten Amoretten der römischen Zeit, die
in der «Vita Nuova» erscheinen, obgleich diese der allgemeinen
Vorstellung von Amor in der damaligen gebildeten Welt, die
Die nackten Flügelkinder in der Zeit
vor Donatello im XIV. und Anfang des
XV. Jahrhunderts.
Nachdem der antike Amor im Verlaufe des Mittelalters
für Kunst und Poesie fast gar keine Bedeutung mehr ge-
habt hatte, verlieh Dante demselben in der «Vita Nuova» zuerst
wieder persönliche Gestalt. Denn während zu Beginn des
14. Jahrhunderts Staaten und Städte Italiens politisch zersplittert
und von Parteiungen zerrissen waren, erblühte mitten in diesen
trostlosen Wirren ein neues Leben in Wissenschaft, Poesie und
Kunst. Und Dante war es ja vorzugsweise, der einerseits da-
durch, dass er seine «Vita Nuova» und «Divina Comedia» in
italienischer Sprache schrieb, als der erste seinem Vaterlande
eine nationale Schriftsprache verlieh, andererseits seine eingehende
Kenntnis der römischen Schriftsteller verwertend, seine dem
Inhalte nach auf die Zeitverhältnisse Bezug nehmenden Dichtungen
mit klassischer Form und klassischem Geiste belebte. Und so
war, wie gesagt, Dante es auch, der als der erste seit dem
Altertum wieder als persönliche, bedeutungsvolle Gestalt den
jugendlichen Amor in seine Dichtungen verflocht. Aber noch
nicht sind es die leichten Amoretten der römischen Zeit, die
in der «Vita Nuova» erscheinen, obgleich diese der allgemeinen
Vorstellung von Amor in der damaligen gebildeten Welt, die