Sechstes Kapitel. Aufzeichnungen verschiedenen Inhalts.
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weisen, daß sie in ihren Vermächtnissen das Almosen nicht vergessen."
Deshalb konnten die Prediger, gewissermaßen offiziell, „sich in die
Häuser einschleichen und die Weiblein gefangen führen." Da der
Stadtrat die katholischen Stiftungen sich angeeignet hattet) Opfer-
gaben infolge Luthers Verwerfung der guten Werke aufhörten, die
Prädikanten aber dadurch Einnahmen einbüßten, so blühte jetzt arge
Erbschleicherei. Besonders hatten alleinstehende Frauen, wie später
die geistig nicht hervorragende und körperlich gebrechlich gewordene
Witwe Dürers, darunter zu leiden.
Ich darf bei dieser Gelegenheit die irrigen Vorstellungen Bürk-
ners (S. 187) nicht ganz übergehen. Er schreibt: „Wir dürfen an-
nehmen, sie habe in des verstorbenen Gatten Sinne gehandelt, als
sie die 1 0 0 0 Gulden, die er einst als sauer verdiente Ersparnis
bei der Stadtkasse angelegt hatte, bald nach seinem Tode der
Universität zu Wittenberg überwies, mit der Bedingung,
daß aus solcher Stiftung ein Stipendium für einen dort studie-
renden Theologen gebildet werde." Aber aus ihrem am 22. Ok-
tober 1538 verfaßten Testamente?) ist ersichtlich: Agnes Dürer hat
„viertzigk guldein ewigs gelts" auf der Losungsstube; dieses Ewig-
geld von 40 fl soll zunächst die Schwester der Erblasserin auf Lebens-
zeit gemeßen^) hernach soll das Stipendium dem Sohne eines Hand-
werkers und Bürgers von Nürnberg, welcher „in der Heyligen ge-
schryfft Studieren" will, verliehen werden. Von der sächsischen
Hochschule ist keine Rede. Freilich ist das Aktenstück ein Beleg dafür,
daß die alte Frau zum Abfalle vom Glauben ihrer Jugend veranlaßt
wurde; für das Glaubensbekenntnis Dürers bringt es jedoch keinen
Erweis. Ich frage einen Voraussetzungslosen: Wer wird einen über
zehn Jahre toten Gatten für Rede und Handlung seiner Witwe ver-
antwortlich machen? Des Irrtums wäre kein Ende.
„Der vierte Spruch (des Markus)", erörtert Heidrich (S- 10 f.),
„wendet sich gegen .Schriftgelehrte' mit ihrem eitlen und wohl-
gefälligen Gebaren, wie sie herrschen wollen in Stadt und Schule
0 Vgl. C. Hagen, Deutschlands literarische und religiöse Verhältnisse im Refor-
mationszeitalter, Frankfurt a. M. 1868, 1, 233 f.
0 Kunstchronik, 14 (1903), 126 ff.
°) Katharina Zinner starb im Jahre 1547.
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weisen, daß sie in ihren Vermächtnissen das Almosen nicht vergessen."
Deshalb konnten die Prediger, gewissermaßen offiziell, „sich in die
Häuser einschleichen und die Weiblein gefangen führen." Da der
Stadtrat die katholischen Stiftungen sich angeeignet hattet) Opfer-
gaben infolge Luthers Verwerfung der guten Werke aufhörten, die
Prädikanten aber dadurch Einnahmen einbüßten, so blühte jetzt arge
Erbschleicherei. Besonders hatten alleinstehende Frauen, wie später
die geistig nicht hervorragende und körperlich gebrechlich gewordene
Witwe Dürers, darunter zu leiden.
Ich darf bei dieser Gelegenheit die irrigen Vorstellungen Bürk-
ners (S. 187) nicht ganz übergehen. Er schreibt: „Wir dürfen an-
nehmen, sie habe in des verstorbenen Gatten Sinne gehandelt, als
sie die 1 0 0 0 Gulden, die er einst als sauer verdiente Ersparnis
bei der Stadtkasse angelegt hatte, bald nach seinem Tode der
Universität zu Wittenberg überwies, mit der Bedingung,
daß aus solcher Stiftung ein Stipendium für einen dort studie-
renden Theologen gebildet werde." Aber aus ihrem am 22. Ok-
tober 1538 verfaßten Testamente?) ist ersichtlich: Agnes Dürer hat
„viertzigk guldein ewigs gelts" auf der Losungsstube; dieses Ewig-
geld von 40 fl soll zunächst die Schwester der Erblasserin auf Lebens-
zeit gemeßen^) hernach soll das Stipendium dem Sohne eines Hand-
werkers und Bürgers von Nürnberg, welcher „in der Heyligen ge-
schryfft Studieren" will, verliehen werden. Von der sächsischen
Hochschule ist keine Rede. Freilich ist das Aktenstück ein Beleg dafür,
daß die alte Frau zum Abfalle vom Glauben ihrer Jugend veranlaßt
wurde; für das Glaubensbekenntnis Dürers bringt es jedoch keinen
Erweis. Ich frage einen Voraussetzungslosen: Wer wird einen über
zehn Jahre toten Gatten für Rede und Handlung seiner Witwe ver-
antwortlich machen? Des Irrtums wäre kein Ende.
„Der vierte Spruch (des Markus)", erörtert Heidrich (S- 10 f.),
„wendet sich gegen .Schriftgelehrte' mit ihrem eitlen und wohl-
gefälligen Gebaren, wie sie herrschen wollen in Stadt und Schule
0 Vgl. C. Hagen, Deutschlands literarische und religiöse Verhältnisse im Refor-
mationszeitalter, Frankfurt a. M. 1868, 1, 233 f.
0 Kunstchronik, 14 (1903), 126 ff.
°) Katharina Zinner starb im Jahre 1547.