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I. Einleitung.
Im Museum vorgeschichtlicher Altertümer in Kiel werden zwei kostbare silberne Zier-
scheiben aufbewahrt, die wegen ihrer Bedeutung für die germanische Kunst- und Re-
ligionsgeschichte der ersten nachchristlichen Jahrhunderte und für die Kenntnis der römisch-
germanischen Kulturzusammenhänge eine eingehende Bekanntgabe verdienen. Sie stammen
aus dem großen Moorfund von Thorsberg bei Süderbrarup in der Landschaft Angeln und
sind in der auch heute noch mustergültigen Veröffentlichung dieses Fundes, die der dänische
Archäologe Conrad Engelhardt bald nach den Ausgrabungen des Jahres 1863 besorgte,
kurz besprochen.1) DerThorsbergerFund, zu dessen hervorragendsten Stücken diese Scheiben
zählen, gehört mit einer Reihe weiterer Moorfunde aus Nordschleswig, Dänemark und
Schweden ganz eng zusammen und ist durch die Vielfältigkeit der Fundstücke einheimi-
scher und fremder Herkunft, aus denen er sich zusammensetzt, für die Kulturgeschichte
des germanischen Nordens in der römischen Kaiserzeit besonders aufschlußreich. Der reiche
Fundstoff, den er enthält, und die Art seiner Niederlegung in einem Moor sind allerdings
bisher in vielem rätselhaft geblieben.
Seit Sophus Müller, der sich in einem besonderen Kapitel seiner Nordischen Altertums-
kunde mit den Moorfunden und in Sonderheit mit dem Thorsberger Fund befaßte 2),
nahm man allgemein an, daß die zahlreichen Gegenstände, meist Waffen und Rüstungs-
zubehör, welche auf engem Raum beieinander liegend im Moor von Thorsberg gefunden
wurden, das Siegesopfer nach einer Schlacht darstellten3). Diese Annahme, welche mit
der einmaligen Niederlegung des gesamten Fundes rechnet, läßt sich, wie H. Jankuhn in
einer kurzen Mitteilung gezeigt hat 4), nicht mehr aufrechterhalten, wenn man die einzelnen
Fundstücke auf ihre Zeitstellung hin untersucht. Jankuhn konnte nachweisen, daß von
der Zeit um Christi Geburt an bis ins 4. Jahrhundert hinein Weihgaben im Thorsberger
Moor niedergelegt wurden und daß diese Weihgaben in der Frühzeit hauptsächlich aus
Tongefäßen, vom 1. Jahrhundert ab überwiegend aus Schmucksachen, Waffen und Aus-
rüstungsgegenständen, und im 4. Jahrhundert aus einzelnen, fast immer zerschlagenen
Goldringen bestanden. Damit ergab sich gegenüber der seit Sophus Müller geläufigen Er-
klärung eine völlig neue Beurteilung des Fundes: am Thorsberger Moor lag eine lange Zeit
hindurch besuchte Kultstätte, die wegen der Menge und Bedeutung ihrer Opfergaben
als der kultische Mittelpunkt einer ganzen Landschaft angesprochen werden darf. Selbst
die Verbindung eines Marktes und Dingplatzes mit dieser Kultstätte ließ sich wahrscheinlich
machen. Der benachbarte Ort Süderbrarup mit seinem großen Markt, der auf eine Wallfahrt
zu einer heiligen Quelle zurückgehen soll, hat nach Jankuhn im Mittelalter die Tradition
des im anglischen Siedlungsgebiet gelegenen heidnischen Thorsberg fortgesetzt. So gelangt
Jankuhn zu der bedeutsamen Feststellung, „daß wir an der Stelle unseres Fundes den

1) C. Engelhardt, Thorsbjerg Mosefund (1863) 26ff. mit Taf. 6—7.
2) S. Müller, Nordische Altertumskunde 2 (1898) 122£f.
3) W. Schulz, Wiener Präliist. Zeitschr. 19, 1932, 168f. Zuletzt M. B. Mackeprang, Fra Nationalmuseets Arbejdsmark
8, 1935, 79 ff.
4) II. Jankuhn, Die religionsgeschichtliche Bedeutung dos Thorsberger Fundes. Forsch, u. Fortschr. 12, 1936, 365ff.

UUm.-Germ. Fonschqneen 10.

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