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Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma. 45

iels

teile des Mittelsaales und des Pronaos gezeigt, darunter folgte eine größere
Lage byzantinischen Schuttes, die sich gleichmäßig über den Pronaos und
den Mittelsaal erstreckte. Aus diesem traten zunächst die durch Feuer
beschädigten Stümpfe der Pronaossäulen heraus. Im März 1908 zeigte
sich, daß der Mittelsaal in mittelbyzantinischer Zeit als Kastellturm
ausgebaut worden war, den wir nun abtragen mußten, um in die Tiefe
der antiken Epoche zu gelangen und die ehemaligen Türen wieder zu er-
reichen. Taf. VII veranschaulicht die Ostmauer dieses Kastellturmes, welche
das große Hauptportal zwischen Pronaos und Mittelsaal mit Ausnahme
einer kleinen Tür ganz geschlossen hatte. Diese Festung, einst tö käctpon
toy lepo? genannt (CIG-. 8836, vgl. Haussoullier, Didymes S. 16), um-
faßte auch den Pronaos, den es mit einer Querwand in der zweiten Säulen-
reihe abschloß; auch in dieser war eine Pforte. Sie führte zum Zwinger,
der durch eine bogenförmig vor der Ostfront herlaufende Mauer gebildet
wurde, welche wir im März 1908 abtrugen; dabei fanden sich wertvolle
hellenistische Urkunden.

Im weiteren Verlauf der Abräumung zeigte sich dann immer deut-
licher, daß dieses Kastell durch eine ganz gewaltige Feuersbrunst zugrunde
gegangen ist; starke Spuren hinterließ sie namentlich an der inneren Nord-
wand des Pronaos.

Es zeigte sich ferner, daß dieses mittelbyzantinische Bollwerk auf dem
Schutt einer frühbyzantinischen Festung stand, die ebenfalls durch
einen schweren Brand zugrunde gegangen war. Dabei entstand über dem
antiken Tempelboden eine drei bis vier Meter hohe Schuttschicht. Die
Ostmauer dieser Festung lag zwischen den östlichen Frontsäulen; es ist
dieselbe, welche die Expedition Haussoulliers schon 1896 bemerkt hat
(Didymes S. 14). Als sie angelegt wurde, war der Tempel noch intakt;
erst der frühbyzantinische Brand vernichtete die Kassettendecke, den oberen
Teil der Pronaossäulen, die obersten Wandteile, den gewaltigen Türsturz
und den darüberliegenden kocmo*öpoc.

Es ist äußerst auffällig, wie sorgsam die Erbauer der ersten Festung
noch den Tempel als Kunstwerk respektiert haben: die Profile wurden
bei der TJmmantelung liebevoll geschont, die den Anschluß bildenden
Festungssteine wurden der Profilform entsprechend ausgehauen. So macht
es fast den Eindruck, als sei dieses früheste Kastell aus einer eisernen
Notzeit heraus widerwillig geschaffen, als habe man gehofft, dem Bau
 
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