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Wiegand, Theodor [Hrsg.]
Palmyra - Ergebnisse der Expeditionen von 1902 und 1917 (Text) — Berlin, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.1808#0012
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VON DAMASKUS NACH PALMYRA

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Abb. 3. Khan 'A'isha

zum Patriarchen in Urfa erwählt worden und hatte sich dorthin begeben-
als sein Vertreter empfing uns der Priester Gabriel mit dem christlichen
Schech Nasif im Episcopat. Unsere Karawane lagerte beim unfertigen Neu-
bau des Serais an einem Hügel westlich außerhalb der Stadt, wo einst eine
römische Nekropole lag.

Die antike Ortslage Nezala befindet sich nicht beim heutigen Dorf sondern
etwa einen Kilometer östlich über einer großen, teichbildenden Quelle.
Der Burghügel hat typische Akropolenform und ist etwa 30 m hoch. Der
Rand ist mit einer schwachen, anscheinend byzantinischen Wehrmauer ver-
sehen, die einzelne kleine Turmvorsprünge erkennen läßt, es sind nur noch
geringe Reste davon vorhanden. Die Mauer zog sich zum Quellenteich herab
und umschloß ihn. Sigillata und byzantinische Gefäßreste bedecken die
Oberfläche des Hügels, die etwa 150 m lang und 120 m breit sein mag. In
der Mitte dieser Fläche liegt der Rest eines gewaltigen Quaderbaues ohne
Mörtel. Einer der Kalksteinblöcke mißt 1,30 m Länge zu 2 m Breite und 0,80 m Höhe. Ein anderer großer Block trägt eine
Versatzmarke: E. Wolflöcher sind bemerkbar, aber keine Klammerspuren. Der Bau ist nur eine Schicht hoch über dem Boden
erhalten. Es handelt sich um einen dreisäuligen Antentempel hellenistischer Zeit, dessen Säulenanordnung vom kanonischen
Brauch erheblich abweicht. Denn das erhaltene Säulenfundament läßt keine andere Rekonstruktion zu als die auf Abb. 4
gegebene, und bei dieser ist es auffällig, daß die Säulen nicht mit den Anten in einer Flucht angeordnet waren, sondern 2 m
zurück. Eine zweite, vordere Reihe von drei Säulen anzunehmen, verbietet der Umstand, daß dann zwischen den beiden Reihen
nur 1 m Abstand gewesen wäre. Möglich wäre, daß es sich bei dem erhaltenen Block nur um das Fundament einer Statuen-
basis handelt, zu der symmetrisch eine zweite zu ergänzen wäre. Nichts ist von den Schmuckteilen des Oberbaues vorhanden.
Eine rohe jonische Säulenbasis, weiter unterhalb des Gebäudes liegend, ist zu klein, als daß man sie ihm zuteilen könnte.
Sigillatascherben fanden sich im Bereich des Bauwerks in besonders großer Anzahl.

Die älteste christliche Anlage in der Nähe des heutigen Qarjaten ist das sehr bescheidene, mit Lehmwänden umgebene Kloster
des angeblich um 400 verstorbenen Patriarchen von Antiochia, Aelian (Der Mär Eljän, nach anderer Lesart Julian): ein großes
Mauerrechteck, in dessen Nordwestecke sich das Grab des Patriarchen in der halb verfallenen Kirche im Vorraum befindet.
Der Sarkophag des Aelian (etwa 2 m lang, 80 cm hoch) besteht aus Kalkstein. Der dachförmige Deckel ist in der Mitte der
sichtbaren Seite mit einem flachen Kreuz geziert, das von einem Kreis umgeben ist. Auf der senkrechten Vorderseite befindet
sich in der Mitte ebenfalls ein flaches Kreuz im Rund, desgleichen rechts davon, während links eine Rosette mit sechs Blättern
angebracht ist. In den Zwischenräumen stehen, von oben nach unten zu lesen, die drei syrischen Inschriften wallfahrender
Mönche aus dem Tigrisland, die Eduard Sachau nach Abdrücken von B. Moritz bekannt gemacht hat (ZDMG 38 S. 543f.),
und von denen die jüngste aus dem 9. Jahrhundert stammt.

Zum alten Bestand des Klosters gehört eine schön geschnitzte Holztüre der Kirche (Tafel 1 und 2), die neuerdings auch die
Aufmerksamkeit des Herzogs Johann Georg zu Sachsen auf sich gezogen hat, der geneigt ist, die Tür in die Zeit zwischen
400 und 550 nach Chr. zu datieren (Oriens christianus, dritte Serie III S. 59 fr. und Taf. 1, vgl.
ebenda III S. 233-242). Der antikisierende Charakter der Ornamente ist dieser Annahme sehr
günstig. Die Tür ist etwa 2,10 m hoch und anscheinend aus Zedernholz. Von den zehn reich
mit Rankenornamenten (Abb. 5) umgebenen Füllungen fehlen vier am linken Flügel und der
größte Teil der zweiten Füllung von oben am rechten Flügel. Erst im Jahre 1930 machte mich
Herr Dr. Volbach darauf aufmerksam, daß eine Füllung des linken Flügels - es ist die dritte von
oben - seit langer Zeit in der altchristlichen Abteilung des Kaiser-Friedrich-Museums aufbe-
wahrt werde (Abb. 6)1). Es ist ein äsendes Reh dargestellt, dem auf dem rechten Flügel ein im
Gebüsch lauernder Löwe entspricht. Dementsprechend muß als rechtes Gegenstück der zweiten
Füllung des linken Flügels ein Raubtier zu ergänzen sein. Alle übrigen Füllungen sind orna-
mental. Die Gesamtrekonstruktion zeigt unsere Tafel 2.

Die Nacht wurde in Qarjaten verbracht. Am Nachmittag des 4. April erfolgte der Weitermarsch
um 4 Uhr nach der 65 Kilometer entfernten Quelle 'Ain Bedä, die am 5. April nachmittags
2 Uhr erreicht wurde. Unterwegs wurde Halt gemacht bei Qaßr el Kher2), dem Heliaramia der

Peutingerschen Tafel (Moritz, Die antike Topographie der Palmyrene, Abhandl. Pr. Ak. d. W. ° , =_____i°

1889 S. 12), einem einst sehr wichtigen Karawanenort der Wüste, wo mehrere Bauwerke der ver- ^fab orundriß des Tempels
schiedensten Epochen unsere Aufmerksamkeit auf sich zogen. bei Qarjaten

') O. Wulff, Altchristliche Bildwerke des Kaiser-Friedrich-Museums 1909 S. 79= Wulff-Volbach (zweite Aufl.) S. 10 (Inv. Nr. 9150).

2) Nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Wege-Festung zwischen Palmyra und dem Euphrat, die von A. Gabriel, Syria 1927 S. 302ff. publiziert ist.
 
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