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Wiegand, Theodor [Hrsg.]
Palmyra - Ergebnisse der Expeditionen von 1902 und 1917 (Text) — Berlin, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.1808#0023
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DIE ISLAMISCHE BURG BEI PALMYRA, KAL'AT IBN MA'N

15

HANDSKIZZE PER
ISLAMISCHEN BURG
PALMYRA

Abb. 20. Grundnij der Burg (Norden oben)

geworden). Dem eindringenden Gegner ist dieses Stück des Weges zur Oberburg so schwer als möglich gemacht. Er mußte
an einer eigens vorgetriebenen mit Schießscharten gespickten Zunge der Oberburg vorbei, mußte nach einer abermaligen
rechtwinkeligen Richtungsänderung an einer zweiten Schartenreihe defilieren, um schließlich rechtwinkelig in die enge
Gasse mit der Treppe zum zweiten Hof einbiegen zu können.

Der zweite Hof bedroht mit seiner Ost- und Südzinne den in Feindeshand geratenen ersten und beherrscht mit seinem
starken Ostturm und den daran anschließenden erhöhten und treppenförmig ansteigenden Wehrgang einen Teil des öst-
lichen Grabens. In drei weiteren mit engen Treppenläuten verbundenen Höfen staffelt sich, Schritt für Schritt ausgezeichnet
zu verteidigen, die Burg, bis nach dem fünften Hof, der in breiter Front mit Stockwerksfeuer den Nordgraben bedroht,
eine hohe Treppe zur letzten Zuflucht der Verteidiger, zur Zinne des „Bergfried" D emporklettert.

Beim Punkt D steigt auch der Burgfelsen zu seiner höchsten steilsten Stelle an und dementsprechend erreicht die Contre-escarpe
ebenfalls ihren höchsten Punkt.

Die Gesamtanlage der Burg ist demnach eine einheitliche aber äußerst komplizierte und sinnreich ausgeklügelte. Haben wir
doch bei unserem Wege zur Zinne des Bergfrieds nicht weniger als zwölf rechte Wendungen machen müssen, abgesehen von
einigen kleineren, auch erschwerenden Biegungen und Windungen.

So fein durchdacht und großzügig die Anlage ist, wurde doch nicht der geringste Wert auf Ausschmückung und Anwen-
dung von Kunstformen gelegt. Vergeblich sucht man nach irgendwelchen Zierraten und Ornamenten. Bei dem Überfluß an
brauchbaren Felsen hat man es sogar verschmäht, bei den reichen Schätzen antiker Kunst zu Füßen des Schlosses eine Anleihe
zu nehmen; man schuf einen nüchternen Nutzbau.

Zu einer eingehenderen Beschreibung der zahlreichen Gelasse des Baues, der fortifikatorischen Details, der Anordnung der
Pechnasen, Schutt- und Sturzlöcher, der Anzahl der Feuerlinien usw. reicht die beigegebene, nur mit Bussole abgeschrittene und
unter Zuhilfenahme photographischer Aufnahmen bearbeitete Handskizze nicht aus.

Daß es der Burg nicht an Verteidigern gefehlt, beweist das Streben, möglichst dichte Feuerlinien zu erreichen. So ist an vielen
Stellen zwischen je zwei Zinnenfenstern noch eine Scharte eingeschoben. Dasselbe System finden wir übrigens auch in Damaskus,
Aleppo und Baalbek vorgebildet.

Die Frage der Datierung ist bei dem Mangel jeglicher Inschrift, den schon Porter beklagt, eine äußerst schwere. Daß die Burg
nur für Armbrustverteidigung und noch nicht für Feuerwaffen gebaut erscheint, würde an sich noch nicht berechtigen, die
Erbauung vor dem 18. Jahrhundert anzunehmen. Die Art des Mauerwerks mit den kleinen Werksteinverblendungen in
 
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