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Wiegand, Theodor [Hrsg.]
Palmyra - Ergebnisse der Expeditionen von 1902 und 1917 (Text) — Berlin, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.1808#0048
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ZUR STADTMAUER

findet sich wieder ein wohlerhaltener rechteckiger Mauerturm von etwa 4,6 m Länge, 2,5 m vor die Mauerflucht vortretend,
(genau wie die besser erhaltenen Türme der Nordseite), der seiner ganzen Lage nach in den unter dem Damm vermuteten
Zug der Mauer paßt. Unmittelbar östlich der nun folgenden modernen Straßengabelung trifft man auf die recht gut erhaltenen
Reste einer ungewöhnlich großen rechteckigen Bastion, die sich bei etwa 20 Schritt Länge über 2 Gärten erstreckt und etwa
7 m vor die Mauerflucht vortritt. Es scheint eine Art Eckbastion gewesen zu sein, denn während wir uns bisher von Nord-
westen her der Bastion näherten, läßt sich von diesem Punkt aus der Mauerzug in nordöstlicher Richtung weiter verfolgen.
Die Eckbastion besitzt in Übereinstimmung mit der übrigen Mauer Schichthöhen von etwa 65-75 cm- Ob sie hn Innern massiv
ausgebildet war oder vielleicht Schartenkammern aufwies, ließ sich durch den bloßen Augenschein nicht erkennen, doch wird
man diese Frage an Hand einer kleinen Schürfgrabung zweifellos klären können. In einer Entfernung von 2,80 m von der Ecke
bemerkt man dicht über dem Fundament einen etwa 4 Schichten hohen Durchlaß durch die Mauer, vielleicht für denselbenWasser-
lauf, der auch heute, gar nicht weit nördlich, den Walldamm durchbricht, auf dem auch hier wieder die moderne Straße geführt
ist. Im übrigen scheint der heutige Wasserstand etwa 60 m tiefer zu liegen als der alte. Es ist wichtig zu wissen, daß bei einem Sinken
des Wasserspiegels um nur wenige Zentimeter sämtliche Gartenbesitzer gezwungen sind, ihrerseits auch das Niveau der Gärten
um etliche Zentimeter zu senken, da diese sonst nicht mehr genügend Feuchtigkeit vom Bachbett her erhalten würden. So ist nach
den Erzählungen von Eingeborenen, jenes, auch im Gabrielschen Plane verzeichnete, scheinbare Vorwerk der sogenannte Teil idr
Aie, nur gebildet aus den überflüssigen Erdmassen, die bei der Tieferlegung der umliegenden Gärten und Felder von den Bauern
abgefahren werden mußten. Von der Eckbastion Ff verläuft die Mauer im Zug der Straße KK, die sich auch auf einem etwa 8-10 m
hohem Damm hinzieht, ähnlich wie bei der Straße D-E. In den östlich anschließenden Gärten ist die Mauer ziemlich hoch
erhalten, auch sind zwei Turmansätze zu bemerken. Weiterhin verläuft die Stadtmauer in der auf dem Plan eingetragenen
Weise mit den Resten einer offenbar in späterer Zeit vorgeschobenen Mauer; der Ansatzpunkt derselben entspricht dem
Punkte X. Auf der ganzen Strecke, von der neugefundenen Bastion H bis zu Punkt 66 des Gabrielschen Planes, bemerkt
man, wie bereits erwähnt, hinter den alten Stadtmauern einen bis zu 10 m hohen Erddamm, auf dem heute eine 7-9 m breite
Straße verläuft. Es ist dies im Hinblick auf die ebenfalls auf einem Damm liegende Straße zwischen den Punkten D und E
außerordentlich wichtig, da wir ja auch dort aller Wahrscheinlichkeit nach die ehemalige Stadtmauer zu suchen haben. Wenn
man auch fast mit Sicherheit sagen kann, daß diese beiden modernen Wallstraßen im Zuge der antiken Stadtmauern verlaufen,
läßt sich aus ihrer Höhe und Breite doch keinerlei Schluß auf die Höhe und Breite der früheren Befestigung ziehen, denn wir
haben gesehen, daß sich die Höhenlage der Gärten dem jeweiligen Wasserstande anpassen muß; es ist daher mit Bestimmtheit
anzunehmen, daß im Laufe der Jahrhunderte die vorhandenen Erdwälle durch Aufschüttung überflüssiger Erdmassen aus den
angrenzenden Gärten beträchtlich erhöht oder verbreitert wurden. Die Breite der Stadtmauer betrug übrigens wie man an zahl-
reichen Stellen, an denen ihre Innenkante erhalten ist, feststellen kann, durchschnittlich 2,80 Meter.

ERLÄUTERUNGEN ZU DEN ABBILDUNGEN

Abb. 36: Skizzenhafte Darstellung eines Teiles der Stadtmauer beim Punkte R. Die Entfernung der einzelnen Verstarkungstürme betragt 34~35m; sie sind
etwa 4,6 m breit und treten 2,5-2,7 m vor die Mauerflucht vor. Die Schichthöhen gehen durch; sie betragen 65-75 cm; nur die unterste Schicht ist 85 cm bis 1 m
hoch; darunter läßt sich an manchen Stellen der Ansatz eines verbreiterten Fundaments erkennen. Zum großen Teil ist die Mauer bis zur Höhe von 3, 4 und mehr
Schichten erhalten.

Tafel 9, 2: Sonderplan im Maßstab 1:2500 darstellend den Verlauf der Stadtmauer zwischen dem Punkt 82 und dem Punkt B. Die südliche Außenkante der
Mauer ist mit geringen Unterbrechungen sichtbar; ihre Innenkante ist verweht, ebenso einige Verstarkungstürme, die Otzen noch gesehen hat.
Abb. 37 und 38. Aufnahmeskizze der Rundbastion M. Sie ist eine der besterhaltenen. Die übrigen Rundbastionen besitzen etwa dieselben Abmessungen. Man
erkennt in der Mitte eine etwa 5 bis 6 m große Schartenkammer und von ihr ausgehend zwei wohlerhaltene Schießscharten, eine dritte ist zu erganzen. Der
Zwischenraum zwischen Außenwand und Schartenkammer ist mit einer Art von Beton ausgefüllt. Man bemerkt deutlich die Erosionen des weichen Kalksteines,
die durch den scharfen Sand verursacht wird, den der allabendliche Wüstenwind vor sich her treibt.

Abb. 39. Aufnahmeskizze zum Stadttor 6- des Gabrielschen Planes der Stadtmauer. Es ist dies das besterhaltene Tor im nordöstlichen Zuge der Stadtmauer.
Auch hier bemerkt man deutlich die Erosion des weichen Kalksteines; einzelne der noch aufrechtstehenden Steinplatten erscheinen vom scharfen Sande gleich-
sam wie angefressen. Die beiden Rundtürme enthalten im Innern je einen rechteckigen Wachtraum. Der Zwischenraum zwischen diesem und der Außenwrand
ist mit einer Art Beton ausgefüllt. Die beiden Rundtürme selbst haben etwas kleinere Abmessungen als die in Abb. 38 dargestellte Rundbastion; die Durchfahrt
zwischen beiden ist etwa 4 m breit. Der ursprüngliche Schwellstein ist nicht sichtbar, dagegen Reste einer offenbar spateren Vermauerung.


 
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