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Wiegand, Theodor [Editor]
Palmyra - Ergebnisse der Expeditionen von 1902 und 1917 (Text) — Berlin, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.1808#0086
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78

ZUR GESCHICHTE DES GRABTURMS

du'"

bzw. 16 gegen 3), während in den beiden anderen Friedhöfen im Norden und im Süden die Zahl der Tempel nur wenig hinter
der der Grabtürme zurückbleibt (52 gegen 30 bzw. 16 gegen 11).

Die Orientierung der Türme ist ganz verschieden und bevorzugt, wie unsere genauen Messungen lehren, keine bestimmte
Himmelsgegend. Sie wechselt je nach dem Gelände; das wird in der Westnckropole besonders deutlich. Ein Teil der Türme
folgt hier auf beiden Seiten offenbar der von Damaskus kommenden Straße und wendet seine Eingangsfront der Straße zu
(vgl. Nr. 3-9 und 12-22). Ein anderer Teil zieht sich auf ungefähr gleicher Höhe den Abhängen der Hügel entlang oder steigt
weithin sichtbar auf die höchsten Kuppen empor. Das Fehlen einer Orientierung ist auch für die Türme der drei übrigen
Nekropolen bezeichnend; aber die hier scheinbar ganz willkürliche Verteilung erklärt sich vielleicht aus den Besitzverhältnissen,
der Gestalt des Geländes, der Art des Baugrundes oder aus Wegeführungen, die schon vor Anlage der Nekropole bestanden.
Es drängt sich vielfach ebenso wie in der Westnekropole die Beobachtung auf, daß einzelne Türme oder Tempel zu einer
Gruppe vereinigt und dann auch durch gleiche Orientierung enger verbunden sind. Leider erlauben die wenigen erhaltenen
Inschriften nicht, eine Familienbeziehung der Erbauer dieser Monumente nachzuweisen. Denkbar wäre auch, daß die Erbauer
in einem Verein zusammengeschlossen waren.

Obwohl der Grabturm während der ganzen Dauer des Bestehens der Stadt in Gebrauch geblieben ist, hat sich seine Form im
Laufe der Jahrhunderte nicht geändert. Nur eine kleine Gruppe von Türmen, die sich auf die Westnekropole beschränkt, steht
für sich. Von den Türmen dieser Gruppe erhebt sich weitaus die Mehrzahl wie Warttürme auf den höchsten Spitzen der west-
lichen Höhenzüge (Nr. 2, 4, 5, 6, 10, 24) und Nr. 52 auf der Spitze des Osthügels. Nur Nr. 12a und Nr. 29 ziehen sich den
Abhang nach dem Wfldl zu herab. Ob die anderen Türme auf der Westhöhe Nr. 11 und 25-27 demselben Typus angehören,
konnte ihrer starken Zerstörung wegen von uns nicht festgestellt werden, ist aber wohl möglich. Die Technik dieser Türme ist
einheitlich, im Inneren Gußwerk aus Bruchsteinen, außen Verkleidung durch polygonale Steine in ungefähr wagerechter
Schichtung. In ihrer Größe von etwa 5-7 m Seitenlänge bleiben sie weit hinter den anderen Türmen zurück. Sie entbehren der
inneren Kammer mit den beiderseits anschließenden Loculischlitzen, zu der man durch eine Außentür gelangt. Gewöhnlich
führt hier vielmehr im Erdgeschoß eine Treppe von außen an einer Seite entlang zum ersten Stock und die Schiebegräber gehen
auf den drei anderen Seiten wie bei einem Backofen von außen nach innen. Vom ersten Stock an liegen die Gräber im Inneren
an einer Seite des schmalen von der Treppe aus zugänglichen Ganges, soweit wenigstens die Zerstörung ein Urteil gestattet.
Bei Nr. 52 fehlt der Treppengang völlig; von allen vier Seiten sind Loculi in mehreren Reihen übereinander von außen in den
massiven Kernbau hineingetrieben. Schmuckglieder scheinen nirgends vorhanden zu sein; keine Inschrift zeugt von der Zeit
der Errichtung und von den Erbauern; nur bei Nr. 11 ist ein Platz für eine (heute verschwundene) Inschrift vorhanden.
Gegenüber allen übrigen Türmen erweckt diese Gruppe den Eindruck größerer Primitivität; es fragt sich nur, wie diese zu
erklären ist. Der nächstliegenden Annahme, daß es sich um Gräber weniger wohlhabender Familien handelt, die gleichzeitig
mit den übrigen Türmen in der Ebene errichtet sind, widerspricht die doch offenbar absichtlich für fast alle gewählte Höhen-
lage; für bescheidene Grabanlagen wäre zwischen den übrigen Türmen der Nekropole in der Ebene und an den Ab-
hängen noch Platz genug gewesen. Eher wird man diese kleinen Backofentürme für die letzten und spätesten Ausläufer der
Grabtürme der Kaiserzeit halten dürfen, ihre Erbauung also in die Zeit nach der Zerstörung durch Aurelian verlegen, als der
Wohlstand Palmyras vernichtet und damit die Blüte der Stadt gebrochen war. Wenn man sich mit diesen Türmen soweit von
der Stadt entfernt hat und auf die Höhen hinaufging, so mag dabei die Absicht mitgespielt haben, die Türme in Zeiten drohen-
der Gefahr auch als Warttürme zu verwenden. Bis in die Zeit der Neubefestigung der Stadt durch Justinian herabzugehen,
dürfte nicht zu empfehlen sein, weil damals die bauliche Tradition der Kaiserzeit bereits abgerissen war und die alten Grabtürme
als Festungstürme in die Stadtmauer einbezogen wurden. Die entgegengesetzte Möglichkeit, in diesen Türmen eine frühe, für
uns also die älteste Form des Grabturms von Palmyra zu sehen, empfiehlt sich schon deshalb nicht, weil die älteren Grabanlagen
sicher, wie das auch sonst in der antiken Welt üblich ist, möglichst nahe bei der Stadt an den Hauptverkehrsstraßen angelegt
sein werden.

Scheiden wir also diese Gruppe als einen späten Ausläufer der Palmyrener Grabform aus, so bleibt eine in ihrer Gesamter-
scheinung gleichartige Masse von Türmen übrig, die als die typische Form des Palmyrener Grabturms der Kaiserzeit besondere
Beachtung verdient. Die Technik ist durchgängig für den Kernbau und die Innenwände Gußwerk aus Bruchsteinen und Mörtel,
die Schale besteht aus guten Quadern in regelmäßiger Schichtung oder aus weniger gleichmäßig, mehr polygonal zugehauenen
Werksteinen, deren Schichtung nicht immer wagerecht ist. Die Größe der Türme wechselt; die Seitenlänge im Grundriß steigt
von 5 bis auf über 13 m; die Höhen sind abhängig von der Zahl der Stockwerke, deren bis zu fünf nachweisbar sind. Der
obere Abschluß ist heute, soweit wir sahen, bei keinem Turme mehr vorhanden. Das bei dem Turm des Jamlichü Nr. 51 oben
erhaltene Kranzgesims stellt noch nicht die letzte Bekrönung dar; denn in der Wiedergabe des Turmes auf Tafel 56 bei Wood
setzt sich darüber das aufgehende Mauerwerk noch fort, und zwar, wenn die Zeichnung des Zerstörten nicht trügt, als Zinnen.
An sich wäre auch ein attikaartiges Glied als Abschluß oder die Form eines pyramidenförmigen Steindaches denkbar1). Doch

l) L her die Dächer der Festungstürme handeln Forrer, Germania II, 1918, 73; Wolters, Germania III, 1919, 7; Kubitschck, ebenda 9. Vg
Bonn. J. 118 (1909), 401 Taf. 36, 7, 8.

auch S. Loeschcke
 
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