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Wiegand, Theodor [Hrsg.]
Palmyra - Ergebnisse der Expeditionen von 1902 und 1917 (Text) — Berlin, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.1808#0092
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ZUR GESCHICHTE DES GRABTURMS

ziee;eln mit großer Wahrscheinlichkeit wiederhergestellt. Sie flankierten dort die Eingangshalle und sind mit dieser dem großen
Säulensaal vorgelagert. Von Bissing vermutet weiter, daß schon der von Polybius X, 27 beschriebene Palast der Mederkönige
in Ekbatana dieselbe Grundform besessen hat. Die Kenntnis eines in Fachwerk ausgeführten Turmhauses darf danach für das
persische Gebiet vorausgesetzt werden; eine andere Frage ist, ob das Turmhaus sich auf die Persis beschränkt und hier von
Anfang an beheimatet ist. Es liegt wohl näher, die Urheimat in Medien und dem benachbarten, einst bewaldeten Gebirgsland
des inneren Kleinasiens zu suchen, wo Holz als Baumaterial näher zur Hand ist als weiter im Süden. Auf die Verwandtschaft
der lykischen Grabbauten, wo ebenfalls die Konstruktion eines Holzhauses in dauerhaftes Material übertragen erscheint, hat
schon Herzfeld hingewiesen. Der großen Zahl von Fensteröffnungen, die diesem medisch-persischen Turmhaus eigentümlich
gewesen sein muß, begegnen wir im Mittelmeergebiet sonst nur bei den hethitischen Palästen von Boghazköi, und für das kre-
tische Haus sind sie durch die Hausdarstellungen auf Fayenceplättchen aus Knosos bezeugt1). Freilich handelt es sich bei diesen
Bauten nicht mehr um einfache Turmhäuser, sondern um komplizierte, für höhere Ansprüche geschaffene, in Breite und Tiefe
entwickelte Raumgebilde. Doch sprechen auch sie für 'eine kleinasiatische Heimat des fensterreichen Turmhauses.
Für die Anfänge dieses Turmhauses scheint mir ein wichtiges Zeugnis in den Weihehäuschen aus dem alten Ischtartempel in
Assur vorzuliegen, die Andrae gewiß mit Recht als Modelle eines Hauses auffaßt, dessen uralte Form im Kult festgehalten
wurde2). Wenn er aber die Konstruktion aus dem Vorbild südmesopotamischer Schilf hütten ableiten will, so ist damit doch die
Vielstöckigkeit, die Zahl der Fenster und die Gestaltung des Rahmenwerks schwer zu vereinbaren, durch die eine Ableitung
vom Holzbau näher gelegt wird. Auch dürfte in Assur eine nur noch im Kult bewahrte Hausform schwerlich erst am Ende des
4. Jahrtausends aus dem Süden eingeführt sein. Schon Andrae hat aus den Bildwerken das Vorhandensein einer innerklein-
asiatischen Bevölkerungsschicht in dieser Zeit in Assur erschlossen; auf sie wird man die Einführung des mehrstöckigen höl-
zernen Blockhauses zurückführen dürfen, das hier schon früh durch andere aus dem Westen und dem Süden kommende Formen
überlagert worden ist3). Aus diesem Grunde ist es freilich wenig wahrscheinlich, daß das Turmhaus nocK in späterer Zeit sich
von Assyrien aus weiter verbreitet haben könnte.

Arabischen Ursprung des Turmhauses konnten wir schon oben als unwahrscheinlich ablehnen; mit dem hethitischen Hilani
oder den späten syrischen Warttürmen eine Verbindung zu knüpfen, schien uns ebenfalls für die Palmyrener Türme nicht mög-
lich zu sein. So bleibt als wahrscheinlich nur der Zusammenhang mit dem persischen Turmhaus übrig. Mit der Ausbreitung
des Perserreiches über den Euphrat dürfte auch das persische Turmhaus nach Palmyra gelangt sein. Dafür spricht der starke
Kultureinfluß, den Persien auch auf anderen Gebieten in Palmyra ausgeübt hat. In den Eigennamen und überhaupt in der
Sprache, aber auch in der Tracht, wie sie die Bildwerke zeigen, ist die Abhängigkeit von Persien deutlich. Palmyra erscheint
in dieser Hinsicht wie ein vorgeschobener Posten persischer Kultur5). Die Übernahme des Turmhauses in möglichst frühe
Zeit zu setzen, dazu bestimmt uns auch die Zähigkeit, mit der die Form des Turmgrabes während der ganzen römischen Kaiser-
zeit, die sonst überall in Syrien die einheimische Kultur mit ihren neuen Formen überdeckt, festgehalten worden und neben
der seit der Zeit des Hadrian eingeführten Form des hellenistisch-römischen Grabtempels immer üblich geblieben ist. Wenn
an keinem anderen Orte Syriens Grabtürme von gleicher Form und in gleicher Menge vorkommen, so liegt der Grund dafür
letzten Endes in der besonderen religiösen Anschauung des Palmyreners, der sich eine ewige Wohnstätte für alle Toten seiner
Sippe schaffen wollte.

Sitzungsber. Bayer. Akad.

44; Val. Müller, Athen. Mitt. 42, 1917, 99fr. Knosos:

*) Boghas-Köi: Puchstein. Wiss. Veröff. der DO-G 19, 98ff. 175; Reber.
Evans, Palace of Minos I, 30lff.

2) Andrae, Ischtartempel von Assur (Wiss. Veröff. der DO-G 39), 34fr. Taf. 11-17; Ders. Gotteshaus im Alten Orient (Studien zur Bauforschung 2)

3) Über die frühen Wohnhaustypen in Mesopotamien vgl. vorläufig Andrae, OLZ 1927, 1033fr.

4) Vgl. auch Harald Ingholt, Studier over Palmyrensk Sculptur 71.
 
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