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Wiegand, Theodor [Hrsg.]
Palmyra - Ergebnisse der Expeditionen von 1902 und 1917 (Text) — Berlin, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.1808#0173
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DIE KUNSTCESCHICHTLICHE STELLUNG DER P A I.M Y R F. N I S C H E N ARCHITEKTUR

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Daß bei den Bildnissen in der Ausprägung des Rassencharakters, in Tracht und Schmuck landschaftliche Besonderheiten stark
zur Geltung kommen, ist verständlich, bedeutet aber künstlerisch keine Eigenart und Sonderprovinz.

Die berichtete doppelte Zerstörung der Stadt durch Aurelian 272/73 kann, wie der heutige Baubefund ergibt, in das monumen-
tale Bild der Stadt nicht sehr tief eingegriffen haben, aber nach der gewaltigen Überspannung der Kräfte durch Odaenath-
Zenobia und nach dem Zusammenbruch hat sich offenbar die römische Orientpolitik, auf der die wirtschaftliche Blüte der Stadt
wesentlich beruhte, anders eingestellt; die diocletianische Politik legt den Schwerpunkt der Grenzbeziehungen nach Nord-
mesopotamien, wo jetzt die Städte Edessa, Amida und besonders Nisibis (bis 363) emporblühen; Palmyra sinkt in Bedeutungs-
losigkeit zurück, während wir gleichzeitig von der Festsetzung neuer Araberstämme - Ghassaniden etwa 292 - hören1). Auch
unter diesem Gesichtspunkt ist das „Diocletianslager" in seiner gar nicht auf den Ernst der Zeiten bedachten Form als Neubau
kaum verständlich, es wäre eine merkwürdige Laune, wenn nicht Ironie.

Die christliche Zeit Palmyras ist schattenhaft und läßt nichts mehr von der Größe des 3. Jahrhunderts ahnen, wo ein Paulus
von Samosata der Berater der Königin Zenobia war. Sein Bischofssitz ist ohne Bedeutung2). Die beiden bisher bekannten Kir-
chen gehören ihrer Chorbildung nach zur mittelsyrischen Gruppe, für die eine außen halbrund schließende Mittelapsis zwischen
weiter hinaus gezogenen Nebenräumen bezeichnend ist3). Daß die Säulenbasilika, also die ökumenische Form des christlichen
Kultgebäudes, verwendet wird, nicht eine autochthon entwickelte, wie es die Haurankirchen und später die mesopotanischen
Tonnenkirchen sind oder gar die sasanidische Wölbekirche auf vorgesetzten Wandpfeilern, die neuerdings einwandfrei in
Ktesiphon ausgegraben ist4), beweist, daß die kulturellen Verbindungsfäden immer noch ungestört nach dem Westen laufen.
Von der literarisch bezeugten Bautätigkeit des Justinian, deren Spuren vom nördlichen Syrien und Mesopotamien über Jerusa-
lem bis zum Sinai zu verfolgen sind, ist in Palmyra bisher nichts zu erkennen.

Es fehlt noch viel daran, daß wir Palmyra genau und gründlich kennen, die tiefe Sandverwehung verbirgt uns noch manche
vielleicht wesentliche Züge im Bilde der Stadt. Vor allem ist in einer kaiserzeitlichen Stadt das völlige Fehlen monumentaler
Thermen auffallend, deren Überreste sich sonst allgemein am ehesten zu erhalten pflegen, weil die mächtigen Gewölbe, Wände
und Pfeiler aus opus caementicium auch als Trümmer der zerstörenden Wirkung von Zeit und Menschenhand erfolgreich zu
trotzen pflegen. Es erscheint unmöglich, daß öffentliche und private Bäder hier gänzlich gefehlt haben sollten, nachdem sich
doch selbst aus frühislamischer Zeit Badegebäude in der syrisch-arabischen Wüste erhalten haben; sie zu finden und ihre be-
sondere Art zu bestimmen, bleibt eine der weiteren zahlreichen Aufgaben zukünftiger Forschung.

Das mag noch gute Weile haben. Aber auch heute schon kann man in richtiger Würdigung der vorliegenden Denkmäler im
Gegensatz zu den oben angeführten Stimmen feststellen, daß Rom bei der Betrachtung der maßgebenden Einflüsse keineswegs
ausgeschaltet werden darf, daß vielmehr gerade die hervorstechendsten Züge im Bilde der palmyrenischen Neustadt, die regel-
mäßige Plangestaltung mit den Säulenstraßen und Bogentoren, dazu Theater und Praetorium unmittelbar auf weströmische
Vorbilder zurückgehen, daß auch die älteren Tempel schon in Einzelzügen römischen Einfluß erkennen lassen und daß selbst
das Architekturornament, sein einheitlicher Charakter und der neue Aufschwung nach der späthellenistischen Depression
ohne das hauptstädtische Vorbild und den augusteischen Kanon nicht gedacht werden können. Rom ist in der für den Aufstieg
Palmvras entscheidenden Zeit, dem 1. und 2. Jahrhundert der Kaiserzeit, in Wahrheit die fortschrittliche und vorwärtstreibende
Kraft, der gegenüber die hellenistische und orientalische Tradition einstweilen noch als beharrende Kräfte in den Hintergrund treten.

2) Mommsen V 441 f., 485 A. 2.

2) Mordtmann, Münch. Sbb. 1875, II 3, S. 6fL, 80.

3) Vgl. o. Taf. 18 und A. Gabriel, a. a. O. Taf. 16, Bischofskirche (?): innere Lange bis zum Scheitel der Apsis 45,25 m. Breite: 27,30 m; vier Arkaden auf } Säulen
und Wandpfeilern, aus Spolien gebaut; der südliche Nebenraum der Apsis, halbrund schließend, enthielt einen Sarkophag in der Apsis, war also offenbar nicht
Diakonikon; die kleinere Kirche ebd. Abb. 6 S. 8g: 25,50 ml., 20,35 ^r. a^° ^ast quadratisch, Innenstützen, die Apsis mit 3 Strebepfeilern, die Nebenräume
sind gleichgroße quadratische Kammern.

*) O. Rcuther, Die Ausgrabungen d. Deutschen Ktesiphon-Expedition 1928/29: Staatl. Mus. Berlin, Isl. Kunstabt. 1930, S. 1 1 If.

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Abb. 183. Korinthiscl

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