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Wilpert, Joseph [Hrsg.]
Die Malereien der Katakomben Roms (Text): Die Malereien der Katakomben Roms — Freiburg i.Br., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.1340#0127

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Enthalten die Katakombenmalercien Portraits? 107

saiken Ravennas geltend gemacht hat. Seitdem 3. Jahrhundert wird Christus durch ein
reicheres, gewöhnlich gelocktes Haar, welches häufig bis auf die Schultern herab-
fiiesst, ausgezeichnet, so dass dieses als ein Unterscheidungsmerkmal seiner Bilder
gelten kann.' Da ein bartloses Gesicht auch jünger ist, so mag der jugendliche Aus-
druck Christi in vielen Fällen eher eine Folge der Bartlosigkeit als von den Künstlern
beabsichtigt sein. Doch soll nicht in Abrede gestellt werden, dass einzelne Künstler
das jugendliche Moment mit Absicht betont haben, vielleicht um auf die ewige Jugend
des Gottmenschen hinzuweisen. Eine Scheidung der Malereien nach diesem Gesichts-
punkte hin vorzunehmen, wäre indessen schwer, um nicht zu sagen unmöglich. Auf
einigen Werken der letzten Periode wurde das jugendliche Moment zu sehr hervor-
gehoben, denn auf ihnen erscheint der Heiland geradezu knabenhaft.2

Der Versuch einiger Gelehrten, den bartlosen Typus auf ein antikes Vorbild, etwa
auf Apollo, zurückzuführen, ist als durchaus unbegründet, als phantastich abzuweisen.3
Die Darstellungen aus dem 2. Jahrhundert, zumal diejenigen der Sakramentskapellen,
haben sicher nichts an sich, was nur entfernt an Apollo erinnern könnte; und die Maler
der späteren Zeit stellten nur einen bartlosen Jünglingskopf schlechthin, nicht einen
bestimmten Typus dar. Die jugendlichen Christusköpfe sind denn auch thatsächlich
viel zu allgemein gehalten; wenn wir von den Fällen absehen, wo der Heiland durch
ganz lange Haare gekennzeichnet ist, so besteht zuweilen zwischen ihm und dem bart-
losen Moses so wenig Unterschied, dass wir, ohne die geringste Störung- zu verursa-
chen, beide Figuren mit einander vertauschen könnten. Ein schönes Beispiel des
jugendlichen Typus, aus dem 4. Jahrhundert, war in dem coemeterium malus, im Bogen
des arcosolio della Madonna, als Medaillon gemalt. Heute ist das Bild, wie man aus
meiner Kopie ersehen kann,4 stark verwischt und dazu von dem Qualm der Kerzen
sehr geschwärzt. Der Heiland trägt hier so lange Haare, dass die Locken bis auf die
Schultern herabfallen.5

Von dem jugendlichen Typus entfernten sich die Künstler zuerst in den Darstel-
lungen des Gerichtes. Auf dem Gemälde des cubiculum III in Santa Domitilla,
aus der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts, hat Christus einen kurzen Vollbart und
das ihm eigene lange Haar.0 Das Fresko der Nunziatellakatakombe, aus der zweiten
Hälfte desselben Jahrhunderts, zeigt ihn zwar bartlos, aber mit den ernsten Zügen des
gereiften Mannesalters, wie es einem Richter zukommt; sein Haar ist ungetheilt in die

1 Taff. 40, 2; 75; 125; 148,2; 164, 1; 170; 177, 1; dem Stucke anhaften, so musste ich, um nicht mehr

186, 1; 251 u. 253. zu schaden als zu nützen, auf eine Reinigung des

1 Taff. 62, 1 ; 205 ; 243, 1; 245, 2 ; 248. Bildes verzichten.

3 Auch die « Zeusischen, Serapischen und Diony- 6 Taf. 40, 2. An vielen Stellen, namentlich in
sischen Christusbilder», welche die Phantasie eini- dem unteren Theil der Gewandung und in dem
ger deutscher Gelehrten und eines norwegischen Bart- und Haupthaar, hat sich die braune Farbe» des
Kunsthistorikers geschaffen hat, können wir nicht Freskos so abgeblättert, dass der weisse Stuck
ernsthaft nehmen. sichtbar geworden ist. Hierdurch wurde der Ge-

4 Taf. 164, 1. sichtstypus nicht wenig verändert; der Bart zumal

5 Da die Farben sehr mürbe sind und nur lose an erscheint jetzt grau mehrt.
 
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