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Wilpert, Joseph [Editor]
Die Malereien der Katakomben Roms (Text): Die Malereien der Katakomben Roms — Freiburg i.Br., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.1340#0157

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Der künstlerische Werth der Katakomlsenmalcrcicn. i 3 7

Christ vorzugsweise seine religiösen Anschauungen über das Leben jenseits des Grabes,
sein Glauben und Hoffen kund gab. Gerade dieses macht sie uns besonders theuer;
eben darin liegt der Reiz, den sie, auch die formell unvollkommensten, auf jeden Ge-
bildeten ausüben. Für die Katakombenmaler selbst war aber die Symbolik, wie wir
gesehen haben, eine Fessel, welche sie zwang, sich bei dem Entwurf der Darstellungen
auf das unumgänglich Nothwendige zu beschränken und von der einmal angenom-
menen Komposition, zur Vermeidung von Missverständnissen, jede grössere Verände-
rung fern zu halten. Man verkennt also vollständig das Wesen der coemeterialen
Malerei, wenn man denen, die sie schufen, Mangel an Erfindungsgeist vorwirft und
deshalb mit Geringschätzung auf sie herabblickt. Der Vorwurf ist ungerecht und fällt
in sich zusammen, wenn man bedenkt, dass die Katakombenmaler die Aufgabe hatten,
Gräber mit vorwiegend symbolischen Gemälden zu schmücken, und dass diese Auf-
gabe für die einzelnen Grabstätten mehr oder weniger die gleiche war.

Bei der Beurtheilung des artistischen Werthes der Katakombengemälde dürfen wir
ferner die Schwierigkeiten, welche bei der Anfertigung derselben zu überwinden waren,
nicht ausser Acht lassen. Schon der Ort selbst mit seiner ungesunden, dumpfen
Athmosphäre, die Nähe der Leichen und der Leichengeruch, der auch bei Anwendung
aller Vorsichtsmassregeln nie vollständig beseitigt werden konnte, mussten zur Eile
drängen. Daher mag es hauptsächlich gekommen sein, dass die Durchbildung der
Einzelheiten an den Figuren häufig so mangelhaft ist, dass insbesondere die Extremi-
täten bisweilen nur angedeutet und nicht ausgeführt sind, was sich namentlich an den
Fresken der Sakramentskapellen, der Passionskrypta in Pretestato und der cappella
greca beobachten lässt. Die Maler arbeiteten dazu, häufig in einer äusserst unbeque-
men Stellung, zumal wenn es sich um die Dekoration eines Arkosols handelte. Wer
Gelegenheit gehabt hat, auch nur ein einziges Bild in der Wölbung eines Arkosols
durchzupausen oder abzuzeichnen, wird ihre Flüchtigkeiten und Verzeichnungen be-
greiflich finden und mit ihnen Nachsicht üben. Die Maler arbeiteten endlich bei dem
ganz ungenügenden Licht einer armseligen Kerze oder Lampe, die nur einen geringen
Theil des auszumalenden Raumes zu erhellen im Stande war. Für dieses Halbdunkel
der Katakomben, nicht für das Tageslicht der Sonne, sind übrigens ihre Schöpfungen
berechnet. Ist es aber für jedes Kunstwerk, namentlich für ein Deckengemälde, nach-
theilig, wenn man es — was durch die Kopie geschieht — aus dem Orte seiner Be-
stimmung nimmt und in unmittelbare Beziehung zu der gewohnten Sehlinie des Auges
bringt, so ist dieses doppelt nachtheilig für die Katakombenmalereien, da hier mit dem
Orte auch die Beleuchtung gewechselt wird. Thatsächlich fallen in den Katakomben
die Fehler und Mängel weit weniger auf und wirken demgemäss auch nicht so unvor-
teilhaft wie auf unseren Tafeln.

Alle die erwähnten Umstände muss man berücksichtigen, soll über den artisti-
schen Werth der Katakombenmalereien ein gerechtes Urtheil gefällt werden. Wenn
derselbe auch, wie gesagt, nicht so sehr in der Form als in dem Inhalte liegt, so ver-
dient doch auch die künstlerische Seite unsere Anerkennun»". Aus den meisten dieser
 
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