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Wilpert, Joseph [Editor]
Die Malereien der Katakomben Roms (Text): Die Malereien der Katakomben Roms — Freiburg i.Br., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.1340#0354

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334 Achtzehntes Kapitel.

zu stärken und ihre Hoffnung auf die Erlangung der ewigen Seligkeit zu beleben.
Man hielt sie aber auch Gott selbst als Grund vor, um ihn zu bewegen, den Ster-
benden im Tode beizustehen: sie gestalteten sie so zum Gebet.

Dass man in der That zum Gebete seine Zuflucht nahm, um die Seele vor den
Nachstellungen des Widersachers zu schützen, erfahren wir schon von dem hl. Jus-
tinus Martyr. «Wenn wir», schreibt er, «dem Tode nahe sind, so bitten wir, dass
Gott durch seine Kraft alle schamlosen und bösen Engel fernhalten möge, damit sie
sich nicht unserer Seele bemächtigten ». Unter solchen Sterbegebeten nennt er
Ps. 21, aus welchem er die Verse'20-22 anführt: « Du aber, o Herr, entferne deine
Hilfe nicht von mir; schau her zu meinem Schutze. Erlöse von dem Schwerte, o
Gott, meine Seele; und aus der Hand des Hundes meine Einsame. Rette mich aus
dem Rachen des Löwen; mich Erniedrigten von den Hörnern der Einhörner». Es
bedarf keines besonderen Hinweises, dass mit dem Löwen und den übrigen Bestien
der Teufel gemeint ist; ebenso drängt sich der Gedanke an Daniel zwischen den
Löwen von selbst auf. Der hl. Justinus sagt ferner, dass der sterbende Christ «die
Worte des sterbenden Heilandes: 'Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist'
beten solle, damit seine Seele nicht unter eine feindliche Macht falle».' Diese und
ähnliche2 Bitten hörten natürlich nicht mit dem Eintreten des Todes auf; Tertullian
bezeugt ausdrücklich, dass ein Presbyter nach dem Ableben des Gläubigen, zu
dessen Seelenfrieden, vor der Leiche Gebete verrichtete.3

Man betete also nicht bloss für die Sterbenden, sondern auch für die Verstor-
benen: man flehte zu Gott, dass er ihre Seelen vor den Angriffen der bösen Geister
beschützen möchte, wie er Daniel in der Löwengrube, die drei Jünglinge im Feuerofen,
Noe in der Arche und Susanna vor den beiden Alten beschützt hat. In der glei-
chen Bedeutung, und um die Besucher der unterirdischen Grabstätten zum Gebete
für die Verstorbenen anzuleiten, wurden diese biblischen Figuren an den Gräbern
abgebildet, und zwar Daniel und Noe schon in dem aus dem 1. Jahrhundert stam-
menden Hypogäum der Flavier, und alle vier zusammen, zu Anfang des 2. Jahrhunderts,
in der cappella greca; in der Folge finden wir sie so häufig, dass kaum ein grösserer
Cyklus existirt, in welchem nicht die eine oder die andere von ihnen vertreten wäre.

Wollen wir den vorstehenden Gedankengang kurz zusammenfassen, so können
wir uns hierzu der Worte Springers bedienen: «Die kirchliche Lehre hat jene (alttes-
tamentlichen) Beispiele von Befreiungen und Rettungen den Gläubigen ohne Zweifel in
Gebetsformeln nahegerückt, die Katakombenbilder haben sie anschaulich gestaltet».4

' Justin., Dialog, cum Tryphonc, 105. tarn, post unicum et breve matrimonium cum in pace

2 Nach dem Sacramentarium Gregorianum, (Mu- dormisset et morante adhuc sepultura interim ora-

ratori, Liturg. rom. vet., II, S. 213 ff.) wurden am tione presbyteri componeretur, ad primum halitum

Sterbebett, « quando anima egreditur de corpore », orationis manus a lateribus dimotas in habitum sup-

ausser bestimmten Orationen, die Psalmen 111, 73, plicem conformasse rursumque condita pace situi suo

115 und 142 gebetet. reddidisse.

' Tertull., De anima, 51: Scio feminam quandam 4 Springer, Handbuch der Kunstgeschichte, II.

vernaculam ecclesiae, forma et aetate integra func- S. 6 f. (5. Aufl. S. 7).
 
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