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Als der Pionier der französischen Aufklärung erscheint Pierre Bayle.
dessen „Dictionnaire" die Anschauungen der gebildeten Welt völlig in die
Richtung der religiösen Skepsis lenkte; und nach dieser Seite hauptsächlich
wurde dann auch die englische Literatur in Paris aufgenommen. Voltaire ist
der große Schriftsteller, welcher nicht nur dieser Wendung den beredtesten
Ausdruck gegeben, sondern auch die positiven Moniente der Aufklärung in der
nachdrücklichsten Weise vertreten hat. Aber die Entwicklung drängte mit viel
größerer Wucht auf die negative Seite. In dem gemeinsamen Denken der Enzy-
klopädisten vollzog sich Schritt für Schritt der Umschwung vom Empirismus
zum Sensualismus, vom Naturalismus zum Materialismus, vom Deismus zum
Atheismus, von der enthusiastischen zur egoistischen Moral. Solcher Aufklä-
rung des Verstandes, deren gesamte Linien in dem Positivismus Condil-
lac8 zusammenliefen, trat in Rousseau eine Gefühlsphilosophie von
elementarer Gewalt gegenüber, um zur intellektuellen Gestaltung der Revolu-
tion zu führen.

Deutschland war für die aufklärerische Bewegung schon durch die
Leibniz sehe Philosophie und den großen Kathedererfolg, den Wolff mit ihrer
Umbildung erzielte, gewonnen: aber hier überwog bei dem Mangel eines ein-
heitlichen öffentlichen Interesses die Tendenz der individuellen Bildung.
Für deren Zwecke wurden die Ideen des „philosophischen Jahrhunderts" auf
psychologischem und erkenntnistheoretischem, wie auf moralischem, politischem
und religiösem Gebiete mit großer Mannigfaltigkeit, aber ohne prinzipielle Neu-
schöpfung verarbeitet, bis der trockenen Verständigkeit, womit sich eine über-
hebungsvolle Populärphilosophie besonders an der Berliner Akademie*)
breit machte, frisches Leben und höhere Gesichtspunkte durch die poetische
Bewegung und die großen Persönlichkeiten ihrer Träger, Lessing und Herder,
zugeführt wurden. Dieser Umstand bewahrte die deutsche Philosophie des 18.
Jahrhunderts davor, sich in theoretisch-skeptische Selbstzersetzung wie die eng-
lische, oder in praktisch-politische Zersplitterung wie die französische zu ver-
lieren: durch die Berührung mit einer großen, von Ideengehalt strotzenden Lite-
ratur bereitete sich hier eine neue bedeutungsvolle Epoche der Philosophie vor.

John Locke, 1632 zu Wrington bei Bristol geboren, in Oxford gebildet, durch seinen
Lebenslauf in das -wechselvolle Geschick des Staatsmannes Lord Shaftesbury verflochten,
kam mit Wilhelm von Oranien aus holländischem Exil 1688 in seine Heimat zurück, be-
kleidete unter der neuen Regierung, die er auch publizistisch mehrfach vertrat, mehrere
höhere Staatsämter und starb in ländlicher Muße 1704. Einfache Verständigkeit und
Klarheit sind die Vorzüge seiner intellektuellen Persönlichkeit: aber ihnen entspricht auch
eine gewisse Dürftigkeit der Gedanken und ein Versagen des eigentlich philosophischen
Triebes. Trotzdem hat ihn sein Mut der Trivialität populär und damit zum Führer der
Aufklärungsphilosophie gemacht. Sein philosophisches Werk führt den Titel Essay con-
cerning human understanding (1690); daneben sind Some thoughts on education (1693),
The reasonableness of Christianity (1695) und unter den posthumen Abhandlungen The
conduet of understanding zu nennen. Vgl. Fox Boukne, The life of J. L. (London 1876).
T. Fowlee, J. L. (London 1880). G. v. Hertling, J. L. und die Schule von Cambridge
(Freiburg i. B. 1892). E. Fechtek, J. L., ein Bild aus den geistigen Kämpfen Englands
im 17. Jahrh. (Stuttgart 1898).

Georg Berkeley war in Killerin (Irland) 1685 geboren, beteiligte sich als Geist-
licher eine Zeitlang an Missions- und Kolonisationsversuchen in Amerika, wurde 1734
Bischof von Cloyne und starb 1758. Vorbereitet durch die Theory of vision (1709), er-

1) Vgl. Ch. Bartholmess, Histoire philosophique de l'academie de Prusse (Paris
1851); A. Haenack, Geschichte der K. Pr. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (Ber-
lin 1900).
 
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